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Notebook für den Polareinsatz

von Stefan Hinum

Große Erwartungen in einen kleinen Sportwagen

Im Februar 08 erwarben wir ein neues Redaktions-Notebook namens Zepto Znote 6324W, welches unsere Testabteilung auch gleich ausführlich testete (http://www.notebookcheck.com/Test-Zepto-Znote-6324W-Notebook.7860.0.html). Primär war der Laptop für die Arbeit gedacht, aber zwischendurch sollte die mobile Kiste auch gleich für Computerspiele verwendet werden (was natürlich ausschließlich Testzwecken dient – versteht sich, für den Fall, dass das Finanzamt diesen Artikel liest). Zu diesem Zwecke sollte das frei konfigurierbare Zepto nicht nur eine (zumindest damals) starke Grafikkarte (Nvidia GeForce 8600M GT), sondern auch einen möglichst starken Prozessor haben. Die damals größtmögliche Option war ein Intel Core 2 Duo T9300. Damit war der kleine 14-Zoller nach dem damaligen Stand der Technik nach dem Motto einer alten Sitcom „Wir brauchen mehr Power!“ maximal aufgerüstet.

Ernüchterung

Bereits bei den ersten massiven Schlachten (Supreme Commander) zeigte sich jedoch, dass von den in den Spielen involvierten Notebooks das Zepto ZNote immer der Bremser war. Auch wenn in Filmen Zeitlupe dramaturgisch theatralisch eingesetzt wird, wurde es einfach lästig dass das Spiel permanent nur auf halber Geschwindigkeit gähnend langsam lief. Raketen, die im Schritttempo durch die Gegend fliegen, lösen selten Adrenalin-Schübe aus. Eine Erklärung musste her, ein Sündenbock. Erster Gedanke, erster Verdächtiger: Windows Vista

Im Zweifel gilt: Vista ist immer schuld!

Die Begründung ist ebenso bestechend wie plausibel: Vista ist grundsätzlich an fast allem schuld, also warum auch nicht in diesem Fall? Es ist ja bekannt, dass Vista sehr leistungshungrig ist. Irritierenderweise verwendeten dann meine Mitstreiter in den galaktischen Schlachten zeitweise auch Vista-Laptops und die hielten wesentlich besser durch.

Also deaktivierte ich sämtliche residenten Programme und auch Dienste, die nur irgendwie entbehrlich und identifizierbar waren in der Hoffnung, dass der Leistungsfresser wegfallen würde – Fehlanzeige, das Spiel dümpelte weiter.

Nun startete ich das Benchmark-Programm 3DMark06 und erhielt ein niederschmetterndes Ergebnis. Der Prozessor-Leistungswert erreichte gerade mal 60% dessen, was beim ursprünglichen Testbericht gemessen wurde, dem Wert, der für diese Leistungskonfiguration angemessen war. Auch eine Deaktivierung fast aller residenter Programme brachte nur ein paar Prozent mehr beim Benchmarking. Da war tatsächlich kein Stromfresser-Programm dabei. Der Patient war eindeutig krank.

Die Diagnose

Es blieben noch die Erklärungen Hardware-Defekt und Überhitzung. Ich startete 3DMark06, sofort nachdem das Zepto Znote 6324W kalt eingeschalten wurde und riss gleich mal das Fenster auf. Siehe da, prompt erreichte ich den Original-Wert. Damit war klar, der Prozessor im Zepto Notebook überhitzte bei starkem Einsatz und taktete automatisch runter. Das ist eine Sicherheitsmaßnahme, die nötig ist, wenn man an die spektakulären Fotos brennender Notebooks denkt. Wenn die Hitze in der Prozessor-Umgebung zu groß wird, dann wird die Leistung heruntergefahren wie in einem Kernkraftwerk kurz vor der Kernschmelze. Nun war das Rätsel gelöst, doch wie konnte es verhindert werden?

Therapieversuche

Eine Möglichkeit wäre gewesen, das Notebook gleich mal an Zepto einzusenden. Schließlich dürfte so was ja eigentlich nicht vorkommen. Allerdings wollte ich mir die damit verbundenen Unannehmlichkeiten ersparen (wochenlang kein Laptop verfügbar, Formulare ausfüllen, herumtelefonieren).

Die nächsten LAN-Spiele absolvierte ich also bei offenem Fenster (auf Schlechtwetter hoffend) und stellte das Zepto auf Kugelschreiber und Radiergummis, damit der Abstand zum Boden größer würde und mehr Platz zum Ansaugen der Luft wäre (die Ansaugschlitze befinden sich unten). Das besserte tatsächlich die Situation, ich konnte etwa 70-90% der vorgesehenen Prozessor-Leistung erreichen. Das reichte aber nicht, außerdem hatte ich zeitweise kalte Hände wie Ötzi, die Eismumie. Der dänische Laptop musste künstlich beatmet werden. Aus eigener Kraft konnte der kleine Wikinger nur in der Polargegend optimal Leistung erbringen oder um eine weitere Allegorie zu bemühen: Dieses Notebook ist wie ein speck-ummantelter Pinguin in einer Tropenregion, der seine Körperwärme nicht los wird.

Künstliche Beatmung

Also kam ein Notebook-Lüfter aus einem alten Notebookcheck-Test zum Einsatz. Starke Ventilatoren blasen kräftig Luft direkt in die Ansaugöffnungen des kurzatmigen dänischen Patienten. Damit war das Problem behoben, selbst bei gewaltigen Supreme-Commander-Gemetzeln bremst der Zepto nicht mehr als andere vergleichbare Notebooks. Erst bei riesigen Maps schwächelt er aber da machen andere Spiele-Laptops vegleichbarer Konfiguration auch keine gute Figur mehr. Auch der 3DMark06 lieferte den Originalwert des Testberichts. Der Prozessor taktete offensichtlich nicht mehr runter. Künftig konnte in jedem Spiel der Prozessor ausreichend gekühlt werden um maximale Leistung zu erbringen. Beim Spielen muß zwar künftig immer ein externer Lüfter mit von der Partie sein, aber damit kann man leben.

Wer ist schuld?

Wie in der österreichischen Politik ist die Suche nach einem Schuldigen ein zentrales Anliegen mit großer Tradition. Diesen Absatz wird man bei Zepto nicht gerne lesen: Wenn man ausschließt, dass der laut schnaufende Zepto Znote irgendwann mit seinem Lüfter Unrat angesaugt hätte, der ihm die Aorta oder sonst was verstopft, dann ist ein Konstruktionsmangel naheliegend – um es vorsichtig zu formulieren. Ich unterstelle folgendes: Das Zepto Znote 6324W ist frei konfigurierbar und es kamen Anfang des Jahres gerade eine neue vergleichsweise starke Intel-Prozessorreihe heraus (die allerdings grundsätzlich nicht mehr Hitze erzeugen als die Vorgänger). Um die Verkäufe anzukurbeln mussten diese Prozessoren auch gleich auswählbar sein. Aus Zeit- und Kostenoptimierungsgründen wäre es denkbar, dass möglicherweise nicht jede Konfigurationsoption voll ausgetestet wurde (oder zumindest keine Langzeit-Tests). Und so kam es möglicherweise (...immer diplomatisch bleiben), dass die Gehäusekonstruktion und der eingebaute Lüfter mit der maximalen Leistungsvariante einfach nicht mehr kompatibel war. Der Lüfter könnte einfach zu schwach gewesen sein und der Qualitätsprüfung könnte dies entgangen sein bzw. er war vielleicht anfangs nicht zu schwach, aber bei einer natürlich auftretenden leichten Verschmutzung im Lauf der Zeit wäre er zu schwach geworden.

Einzelschicksal?

Nun wird sich so mancher denken, dass dies ein Zepto-spezifisches Spezialproblem sei und obendrein nur in ganz bestimmten Einzelfällen auftritt und das womöglich nur in einer alten Baureihe. Doch kann man ausschließen, dass nicht viele andere frei konfigurierbare Notebook-Modelle verschiedenster Hersteller oder gar fix vorkonfigurierte Mobilrechner an diesem Problem leiden? Wenn es sich um ein Problem handelt, auf das der Kunde selten draufkommt, dann gibt es keine Beschwerden beim Hersteller und keine negativen Kritiken, die bei den Qualitätssicherungs-Abteilungen die Alarmglocken schrillen lassen.

Die meisten Notebook-Käufer benutzen keine Benchmark-Programme. Viele Gamer spielen allein daheim oder über das Internet ohne so genau zu wissen, welche Rechner ihre Mitspieler benutzen. Und kaum eine Spielermannschaft kann auf stets neue Geräte zurückgreifen wie ein Notebook-Magazin. Auch müssen Betreiber eines Online-Magazins besonders beharrlich einem solchen Problem nachgehen. Wer lässt schon 10 mal ein Benchmark-Programm auf seinem Gerät unter verschiedensten Bedingungen laufen? Kurzum, es wäre denkbar, dass das kein Einzelschicksal ist, sondern die Spitze eines gewaltigen Eisbergs, der unglückseligen Titanic-Prozessoren die Leistung wegschlitzt. Der Vergleich passt aber nur dann, wenn keiner bemerkt, dass die Titanic verschwunden ist.

Was lernen wir daraus?

Wären wir österreichische Politiker, würden wir uns sagen: Wir müssen keine Lehren ziehen und sind grundsätzlich beratungsresistent. Da wir aber normale Menschen sind, kann man nachfolgendes anmerken: Selten aber doch wurden bei Notebookcheck Notebook-Kühler getestet und immer wieder fragte ich mich, wofür man die eigentlich bräuchte, abgesehen vielleicht als Port-Replikator für Leute, die unfassbar viel Peripheriegeräte anschließen wollen. Nur damit im Sommer edle Pianisten-Händchen von warmen Notebook-Oberflächen nicht ins Schwitzen geraten? Nun weiß ich es besser, nicht nur für Übertakter-Freaks, denen an heißen Sommertagen reihenweise die Spiele-Rechner abschmieren (bitte so etwas hab ich auf einer LAN-Party schon erlebt), sind diese Dinger zu empfehlen. Des weiteren ist es zu empfehlen, dass man Laptops nicht nur nach dem Kauf, sondern auch nach ein paar Monaten, mit einem Benchmark-Programm einen Gesundheits-Check verordnet und zwar nach einer massiven Belastung, wenn das Gerät so richtig heißgelaufen ist. Und außerdem lernen wir, dass Dänen für den kühlen Norden optimiert sind, nicht umsonst gehört Grönland zu Dänemark. Möglicherweise hat Zepto ja dort eine Qualitätsprüfungs-Abteilung...

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Autor: Stefan Hinum, 14.11.2008 (Update:  9.07.2012)