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AMD Dynamic Switchable Graphics (PowerXPress 4.0 / BACON) - Die Optimus-Konkurrenz im Praxistest

Switch it, baby! AMD setzt endlich zum Konterschlag gegen Nvidias etablierte Optimus-Technologie an. Erste Notebooks werden bereits mit der neuen dynamischen Grafikumschaltung ausgeliefert. Kann Nvidia seine Führungsposition halten?

Technologien zur automatischen Grafikumschaltung („Switchable Graphics“) ohne Multiplexer erfreuen sich bei Herstellern und Nutzern wachsender Beliebtheit. Ob Einsteiger-Notebook oder High-End-Plattform: Immer mehr Geräte können heutzutage dynamisch zwischen der in der CPU integrierten und der dedizierten Grafikkarte wechseln. Bisher führte dabei kaum ein Weg an Nvidia vorbei. Optimus ist jetzt schon seit über einem Jahr auf dem Markt und kann - nach einigen Startschwierigkeiten - inzwischen mit einem zuverlässigen und stabilen Betrieb punkten. Kein Wunder: Nvidia hatte genügend Zeit, Treiber und Grafikkarten zu optimieren. Hauptkonkurrent AMD folgt nun mit mehrmonatiger Verspätung und präsentiert ein eigenes Verfahren zur automatischen Grafikumschaltung. Ein richtiger Name fehlt der neuen Technologie noch, in den wenigen Informationsquellen ist unter anderem von „BACON“ (Kurzform für „Bus Alive Chip Off Now!“) bzw. PowerExpress 4.0 die Rede.

Update: Der offizielle Name schein nun AMD Dynamic Switchable Graphics zu sein.

Funktionsweise

Im Grunde genommen funktioniert BACON sehr ähnlich wie Nvidias Optimus. Je nach derzeitigem Anforderungsprofil arbeitet entweder nur die integrierte oder zusätzlich die dedizierte Grafikkarte. Während einfache Aufgaben wie Office, Internet und Filmwiedergabe von der Grafikeinheit der CPU übernommen werden, kümmert sich bei anspruchsvollen 3D-Anwendungen (z.B. Games) die AMD-GPU um die anfallenden Berechnungen. Ziel ist es, die perfekte Balance aus Energieverbrauch und Leistung zu finden. Die stromhungrige, dedizierte Grafikkarte schaltet sich erst dann hinzu, wenn die Leistung auch wirklich benötigt wird.

Durch den niedrigeren Energiebedarf erhöht sich natürlich die Akkulaufzeit. Leistungsfähige und trotzdem laufzeitstarke Notebooks sind somit kein Wunschtraum mehr. In der Praxis läuft der Wechsel weitgehend im Hintergrund ab. Die Umschaltung geht blitzschnell und ohne einen sichtbaren Übergang vonstatten. Bei den manuellen Verfahren, die in der Vergangenheit zum Einsatz kamen, sah die Situation noch ganz anders aus (siehe z.B. Acer Aspire 4820TG & Aspire 7745G). Nach einem Klick des Nutzers wurde der Bildschirm erst einmal für mehrere Sekunden schwarz oder flackerte unschön. Damit die Umschaltung realisiert werden konnte, durften zudem keine 3D-Anwendungen offen sein. Ein automatischer Wechsel schont – sofern alles zuverlässig und reibungslos über die Bühne geht – Zeit und Nerven.

Praxistest

Hinweisfenster
Hinweisfenster
Catalyst Control Center
Catalyst Control Center

AMDs Interpretation einer automatischen Grafikumschaltung haben wir mithilfe des Dell Vostro 3550 auf Praxistauglichkeit geprüft. Der 15.6-zöllige Office/Multimedia-Hybride enthielt im Test einen Dual-Core-Prozessor aus Intels effizienter Sandy-Bridge-Generation (Core i7-2620M) und eine DirectX 11 fähige Mittelklasse-Grafikkarte (Radeon HD 6630M).

Um gleich auf den Punkt zu kommen: Die Grafikumschaltung machte sich nach der Inbetriebnahme schnell bemerkbar. Beim Start vieler Programme poppte ein Hinweisfenster auf, das den Nutzer mit folgender Meldung konfrontierte: „Die Anwendung XYZ verwendet 3D-Grafiken und/oder Video, ist aber momentan keinem speziellen Grafikprozessor zugeordnet“. Anders ausgedrückt: In zahlreichen Fällen wusste das System einfach nicht, welche Grafikkarte für das entsprechende Programm angebracht war. Klickt der Nutzer die Meldung weg, wird meist die integrierte Grafikeinheit verwendet – schlecht bei Spielen. Wer hingegen die Schaltfläche „Konfigurieren“ anwählt, wird in das Catalyst Control Center (sozusagen die Systemsteuerung der Grafikkarte) weitergeleitet. Dort lässt sich auf einer übersichtlichen Oberfläche die passende Grafikeinheit festlegen. Glücklicherweise merkt sich das System getroffene Entscheidungen, beim nächsten Start müssen Sie den Prozess für das jeweilige Programm also nicht mehr wiederholen.

Insgesamt hat Optimus aber deutlich die Nase vorne. Zum einen wird der Nutzer nicht mit nervigen Hinweisfenstern belästigt, zum anderen ist die Erkennungsrate wesentlich besser. Der Preis für die höhere Einsteigerfreundlichkeit geht hingegen an AMD. Nicht zuletzt dank des geringeren Funktionsumfangs findet man sich schnell ein. Nvidias Menüs, die sich auf die Grafikumschaltung beziehen, erschließen sich für Laien etwas weniger. Ob die Grafikumschaltung auch beim Anschluss eines externen Monitors funktioniert, liegt übrigens am Notebook-Hersteller. Wenn der HDMI-Ausgang mit der integrierten GPU (z.B. Intels HD Graphics 3000) verbunden ist, muss der Nutzer zwar auf bestimmte Features wie Eyefinity verzichten, der Grafikwechsel bleibt aber erhalten.

Dell Vostro 3550
Dell Vostro 3550
Dell Vostro 3550
Das Testsystem: Dell Vostro 3550 (Intel Core i7-2620M & AMD Radeon HD 6630M)

Nachholbedarf

Einige Features, die wir bei Optimus kennen und lieben gelernt haben, fehlen dem Gegenentwurf von AMD. Hier eine Auflistung:

• Der Hersteller sollte unbedingt eine Option addieren, welche dem System vorschreibt, einzig und allein die integrierte bzw. die dedizierte Grafikeinheit zu nutzen – global gesehen. Falls man die dedizierte Grafikkarte als Standard wählt, würden sämtliche Spiele direkt mit der AMD-GPU gestartet werden. Einen manuellen Eingriff bei Fehlentscheidungen könnte sich der Nutzer somit sparen. (siehe Bild 1)

• Des Weiteren hat AMD auf eine Liste verzichtet, die permanent alle installierten Programme anzeigt - unabhängig davon, ob für diese schon eine GPU-Zuteilung getroffen wurde oder nicht. Das Catalyst Control Center präsentiert lediglich die zuletzt geöffneten Anwendungen, spätestens nach einem Neustart gehen dem Nutzer alle Informationen verloren. (siehe Bild 2)

• Eine (optionale) optische Anzeige für den Infobereich der Taskleiste wäre ebenfalls nicht verkehrt. Vorteil: Der Nutzer würde stets erkennen, welche Anwendungen gerade auf der dedizierten Grafikkarte laufen. Momentan ist der Umweg über das Catalyst Control Center nötig. (siehe Bild 3)

• Damit das Notebook auch bei neuen Spielen jeweils die dedizierte Grafikkarte aktiv schaltet, sollte AMD in Zukunft eine Updatefunktion implementieren. So könnte das System stets auf dem neusten Stand gehalten werden, ohne dass man ständig den aktuellsten Treiber installieren muss. (siehe Bild 1)

• Am meisten sehnen wir uns jedoch nach einer Option für das Kontextmenü, die es dem Nutzer erlaubt, eine Anwendung komfortabel per Rechtsklick mit der gewünschten Grafikkarte zu starten. Ein entsprechendes Feature würde Frust reduzieren und eine gewisse Zeitersparnis bringen. (siehe Bild 4)

• Erste Versionen von Dynamic Switchable Graphics unterstützen kein OpenGL.

Insgesamt gilt: Um Nvidias Funktionsumfang Paroli zu bieten, muss AMD an diversen Stellen nachbessern. Im jetzigen Zustand mangelt es dem Nutzer an Informationen und Eingriffsmöglichkeiten.

Optimus: Globale Einstellung & Updatefunktion
Bild 1
Optimus: Permanente Programmliste
Bild 2
Optimus: Anzeige für die Taskleiste
Bild 3
Optimus: Direktauswahl im Kontextmenü
Bild 4

Fazit

Der Grundstein ist gelegt. AMDs automatische Grafikumschaltung lief stabil und machte einen einsteigerfreundlichen Eindruck. Abstürze gab es keine, das Menü im Catalyst Control Center weiß mit einer übersichtlichen Oberfläche zu gefallen. Gegen Nvidias Optimus-Technologie zieht das System dennoch den Kürzeren. Was Erkennungsrate und Features angeht, liegt AMD meilenweit zurück. Erst wenn der Hersteller einige Ideen von Nvidia kopiert und die Zuverlässigkeit erhöht, steht Optimus eine echte Konkurrenz ins Haus.

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Autor: Florian Glaser, 25.05.2011 (Update:  6.06.2013)