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Notebookcheck exklusiv: Balkonkraftwerke-Umfrage bei den größten Berliner Wohnungsbaugesellschaften

Mieter haben es schwer. Balkonkraftwerke boomen derzeit, teilweise sind (bezahlbare) Modelle kaum noch zu bekommen. Wenn man Hauseigentümer ist, kann man vieles selbst entscheiden, aber wie sieht eigentlich die Situation für Mieter aus? Ich habe bei Deutsche Wohnen, Vonovia und Co nachgefragt.

Es gibt viele gute Gründe Strom selber zu produzieren: Steigende Energiepreise, ein Stück weit Unabhängigkeit vom Stromversorger, Klimaschutz und Energiewende sind nur einige davon. Als Hausbesitzer darf man zumindest selbst entscheiden, ob man sich ein Balkonkraftwerk anschafft und anbaut.

Als Mieter sieht die Situation schon anders aus. Theoretisch darf jeder eine steckerfertige Solaranlage auf dem Balkon aufstellen, auch ohne weitere Erlaubnis. Bringt man die Solarpanels jedoch an der Außenwand des Balkons an, so muss man zuvor den Vermieter um Erlaubnis fragen. An eine Erlaubnis könnte die Wohnungsbaugesellschaft (WBG) dann aber Bedingungen knüpfen, die längst nichts mehr nur mit der Balkonanbringung zu tun haben.

Die Umfrage

Aber welche Vorgaben haben (Berliner) Vermieter eigentlich. Gibt es überhaupt verbindliche Vorgaben oder entscheidet jeder Sachbearbeiter anders? Ich habe mich an die größten Wohnungsbaugesellschaften (WBGs) Berlins gewandt und nachgefragt.

Wer wurde befragt

Explizit habe ich nachgefragt bei: Deutsche Wohnen, Vonovia, Degewo, Gewobag und Howoge. Weil es sich anbot, habe ich zudem bei meinem eigenen Vermieter nachgefragt, der BBG (Berliner Baugenossenschaft). 

Die 5 größten WBGs in Berlin sowie die BBG
Die 5 größten WBGs in Berlin sowie die BBG

Was wurde gefragt

Gefragt habe ich, wie die WBGs auf Anfragen ihrer Mieter bezüglich der Installation von Balkonkraftwerken umgehen, ob es einheitliche Vorgaben und Richtlinien gibt, wie viele Anfragen es gab und wie viele davon bewilligt bzw. abgelehnt wurden.

Ergebnisse

Positiv: Alle WBGs haben mir geantwortet, wenn auch nicht immer sofort und nicht sogleich mit einer inhaltlich brauchbaren Antwort ("...bis wann brauchen Sie hier was?"). Auf Nachfragen hat sich aber jede WBG geäußert, teils jedoch über externe Pressestellen, was man den Antworten dann anmerkte.

Was auffiel: Die Ansprechpartner und Pressestellen taten sich mit dem Thema sichtlich schwer. Konkrete Daten zu der Anzahl an Anfragen, Bewilligungen und Ablehnungen konnte oder wollte keine der WBGs nennen. 

Schnelle Reaktion der BBG, Degewo und Howoge
Schnelle Reaktion der BBG, Degewo und Howoge
Vonovia: inhaltliche Antwort erst nach über 1 Monat, mehrere Nachfragen waren nötig
Vonovia: inhaltliche Antwort erst nach über 1 Monat, mehrere Nachfragen waren nötig

Keine einheitlichen Auflagenkataloge

5 große WBGs ohne einheitliche Regelungen
5 große WBGs ohne einheitliche Regelungen

Die einzige WBG, die mir verbindliche und einheitliche Regelungen für die Anbringung von Balkonanfragen präsentieren konnte, war meine eigene Genossenschaft, zu den Auflagen komme ich später.

Alle großen WBGs scheinen derzeit keine einheitlichen Regelungen oder Auflagen zu haben. Auf meine Nachfrage hin gaben immerhin 4 WBGs bekannt aktuell an einem solchen Regelkatalog zu arbeiten.

Erlaubt oder nicht?

Anbringung erlaubt? Ja-Stimmen sind mit Vorsicht zu genießen
Anbringung erlaubt? Ja-Stimmen sind mit Vorsicht zu genießen

Die Howoge und die Vonovia gaben letztlich konsequent an, Balkonkraftwerke derzeit nicht zu erlauben, da eben jene einheitlichen Regelungen fehlen. Beide wollen aktuell solche ausarbeiten.

Die restlichen WBGs lehnen die Anbringung nicht grundsätzlich ab, sondern führen eine "Einzelfallprüfung" durch.

Denkmalgeschützte Gebäude, Fassadenhomogenität, Netzsicherheit, Sicherheit von Mietern und Gebäuden, Brandschutz, Landesbauordnung und die Versicherungsfrage wurden als Gründe aufgeführt, weshalb das Gestatten einer Anbringung nicht trivial sei, im Zweifelsfall also eher nicht erlaubt wird.

Wie gesagt, einzig die BBG-Genossenschaft hat mir immerhin unverzüglich einen Bedingungskatalog zukommen lassen. Die haben es aber leider in sich, da sich die BBG dadurch komplett absichern möchte und dem Mieter dadurch eine immense Menge an Aufwand und Kosten zumutet.

Irrer Forderungskatalog

Auflagenkatalog der BBG
Auflagenkatalog der BBG

Den 10-Punkte-Anforderungskatalog (siehe Foto rechts) soll man unterschrieben zurücksenden.

Neben der berechtigten Forderung nach Fassadenschutz beim Anbau fordert die BBG die Beauftragung einer Fachfirma, die Installation einer Einspeisesteckdose, einen digitalen Stromzähler, die Einhaltung aller VDE-Normen ("VDE-Vorschriften"), die volle Haftung bei allen Schäden usw.

Die aufwand- und kostenintensiven Pflichten machen das Vorhaben für Mieter unwirtschaftlich und damit obsolet. Dabei müsste man beim bloßen Aufstellen auf dem Balkon (also nur "Hinstellen" ohne Fassadenanbringung) den Vermieter nicht einmal um Erlaubnis fragen. Immerhin hat jeder Wasserkocher mehr Leistung als ein 600-W-Balkonkraftwerk.

Zusammenfassung - Viele Hürden, keine einheitlichen Kriterien

2 WBGs verbieten es aktuell, 1 WBG erlaubt es unter irrsinnig strengen Anforderungen, der Rest erlaubt es unter Einzelfallprüfungen mit vermutlich ähnlich strengen Kriterien.

Praktisch wird unter solchen Bedingungen kaum ein Mieter dazu ermuntert, ein Balkonkraftwerk zu installieren. So wird das nichts mit der dezentralen Energiewende.

Immerhin arbeitet der Großteil der WBGs an einheitlichen Richtlinien und Auflagen. Hoffentlich geraten diese nicht zu streng.

Fazit - Es könnte so einfach sein, ist es aber nicht

Solaranlagen an Mieterbalkonen sind noch extrem selten. Warum wohl?
Solaranlagen an Mieterbalkonen sind noch extrem selten. Warum wohl?

Die steckerfertigen Panels mit Wechselrichter einfach anbringen, in die Steckdose stecken, fertig. So simpel liest sich die Werbung der Balkonkraftwerke für jedermann. Es könnte auch wirklich so einfach sein – ist es in der Praxis für Mieter jedoch nicht!

Dass die WBGs sicher stellen wollen, dass ihre Balkone und Fassaden nicht beschädigt werden, ist verständlich. Die aber deutlich weiter reichenden Forderungen, wie z.B. der Einbau spezieller Einspeisesteckdosen durch zertifizierte Elektriker, sichern zwar die WBGs komplett ab, machen das Eigenenergie-Vorhaben für Mieter aber nahezu obsolet, weil deutlich unwirtschaftlicher und aufwändiger als es sein müsste und sollte.

Es ist davon auszugehen, dass auch die anderen WBGs ähnlich strenge Vorgaben erarbeiten. Wer bislang schon in einer Einzelfallprüfung nur geringe Auflagen erfüllen musste, kann sich glücklich schätzen. Denn die aktuell erarbeiteten Richtlinien werden sich vermutlich stark an den VDE-Rahmenbedingungen orientieren, welche selbst unnötig kompliziert ausfallen und keinesfalls Gesetz sind.

Die vom VDE getragene KDE erarbeitet aktuell ebenfalls neue Richtlinien für Mini-PV-Anlagen. Es bleibt zu hoffen, dass diese neuen Regelungen etwas mieterfreundlicher ausfallen werden und die WBGs darauf wiederum mit einer Anpassung ihrer Rahmenbedingungen schnell reagieren. Das dürfte aber wohl nur im Idealfall für die Mieter so kommen

Letztlich bleibt, dass Mieter immens höhere Hürden bei der Anbringung von Balkonkraftwerken zu umschiffen haben als Hauseigentümer. Daher werden wir in naher bis mittlerer Zukunft wohl eher nicht viele Mietwohnungen mit den Anlagen bestückt sehen.

Nachtrag - Am Ball bleiben

Da 4 von 5 der großen WBGs angegeben haben aktuell an einem neuen Regelkatalog für Anfragen zu Balkonkraftwerken zu arbeiten, nehme ich mir vor in etwa 6 Monaten erneut bei Deutsche Wohnen und Co anzufragen. Was hat sich bis dahin getan?

Schreiben Sie uns auch gerne ihre eigenen Erfahrungen mit Ihrem Vermieter, angeblich sind Anfragen noch selten und es gab quasi keine Informationen dazu. Fragen Sie auch gerne testweise bei Ihrem Vermieter nach und lassen Sie uns das Ergebnis wissen!

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Autor: Christian Hintze, 28.11.2022 (Update: 19.12.2022)