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"Made in EU for EU" in den Zeiten von Handelskriegen: Ein Besuch in Lenovos einziger europäischer PC-Fabrik

"Made in EU for EU" in den Zeiten von Handelskriegen: Ein Besuch in Lenovos einziger europäischer PC-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
"Made in EU for EU" in den Zeiten von Handelskriegen: Ein Besuch in Lenovos einziger europäischer PC-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
Die meisten PC-Hersteller setzen komplett auf ODMs zur Herstellung ihrer Computer. Nicht so Lenovo. Der weltgrößte PC-Hersteller nach Volumen besitzt ein Netzwerk eigener Fabriken, das den Globus umspannt. Seit 2021 ist man auch in Europa vertreten. Die 50.000 m² Einrichtung in der ungarischen Hauptstadt Budapest produziert Lenovo ThinkSystem Server, Lenovo ThinkStation Workstations und Lenovo ThinkCentre Desktops.

Aus Osten, stets aus Osten - das war für viele, viele Jahre die Antwort, wenn man sich die Frage nach der Herkunft von PC-Hardware stellte. Die meisten Tech-Produkte wurden und werden in China hergestellt, und das ist schon mindestens seit den 2000ern so. Der Zahlenmäßig größte Arbeitskräfte-Pool und die niedrigeren Kosten haben es der Volksrepublik ermöglicht, die Produktionssparte der IT-Industrie an sich zu reißen. Selbst heute, in einer Ära von Handelskriegen und Zöllen, bleibt China weiterhin unangefochten die Nummer eins in dieser Hinsicht.

Gleichzeitig ist ein anderer Megatrend das sogenannte Outsourcing, also das Auslagern der eigentlichen Produktion an Drittersteller, ein weiterer sehr populärer Schachzug für die Hardware-Produzenten. Große PC-OEMs wie Dell, HP oder Apple sind eigentlich nur PC-Designer, die Compal, Pegatron oder Foxconn als Auftragsfertiger nutzen. Wenn man einen Laptop, einen Desktop PC oder einen Server kauft, dann wurde er wahrscheinlich in China bei einem der großen ODMs hergestellt.

Ein Hersteller, der gegen den Strom schwimmt, ist Lenovo. Zwar nutzt Lenovo ebenfalls die Services der ODMs, der größte PC-Hersteller nach verkauftem Volumen unterhält aber auch ein Netzwerk an eigenen Fabriken. Für diesen Artikel durfte Notebookcheck einen exklusiven Blick in Lenovos einzige europäische PC-Fabrik in Budapest werfen.

Lenovo Enterprise-Hardware für europäische Kunden aus Budapest

Insgesamt besitzt Lenovo über zehn Fabriken rund um die Welt. Vier davon liegen in der westlichen Hemisphäre, fünf in Asien und nur eine in Europa. Das einzige europäische Werk in Bundapest ist das auch das jüngste - die Konstruktion begann in 2020, 2021 erfolgte die Einweihung.

Die Fabrik ist nur zehn Minuten Fahrtzeit vom Budapester Airport entfernt und sie bedient ein spezifisches Marktsegment: Enterprise-Kunden. In Budapest stellt Lenovo drei verschiedene Produktgruppen her: ThinkCentre Desktop PCs, ThinkStation Desktop Workstation und ThinkSystem Server.

Unsere erste Frage war: Warum spezifisch diese Produkte? Warum nicht auch Lenovo ThinkPad Laptops, die auch auf den Enterprise-Bereich abzielen? Wie sich herausstellte, war der wichtigste Grund die Logistik: Für kleine Produkte wie Laptops und Smartphones ist es ökonomisch sinnvoll, das Produkt direkt aus Asien in zusammengebauter Form zu importieren und weltweit zu verschicken - wenn es schnell gehen muss, auch per Luftfracht. Dasselbe gilt aber nicht für Server und Desktops, die ungleich mehr Platz einnehmen und deutlich schwerer sind. Diese Produkte zu verschiffen ist teuer und braucht mehr Zeit, außerdem ist es weniger nachhaltig.   

Lenovos Fabrik-Netzwerk (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
Lenovos Fabrik-Netzwerk (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
Lenovos "nachhaltige Fabrik" (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
Lenovos "nachhaltige Fabrik" (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)

Die Logistik ist auch der Hauptgrund, warum Ungarn statt anderer europäischer Länder zum Zug kam. Ungarn ist zentral gelegen in Europa und die Region Budapest ist gut an das europäische Autobahn-Netz angebunden - wichtige Anforderungen für eine Fabrik, bei der täglich viele LKWs ankommen, die Teile bringen und fertige Produkte mitnehmen.

Klar: Lenovo baut nur das finale Produkt in Europa. Die Teile kommen primär aus China und anderen Regionen Asiens. Einzige Ausnahme sind die Verpackungsmaterialien sowie das Papier, außerdem werden die Tastaturen lokal bedruckt. 

Lokale Produktion: Grüner und schneller

Laut Lenovo hilft die Fabrik dabei, die Geschwindigkeit der Auslieferungen zum Kunden deutlich zu erhöhen. In den europäischen Märkten, abgesehen von UK, Irland und Portugal, will Lenovo so in der Lage sein, innerhalb von 24 Stunden Desktops und Workstations auszuliefern, bei den ThinkSystem Server-Systemen sind es 72 Stunden.

Abgesehen von den Fertigungslinien betreibt Lenovo auch ein Testzentrum in Budapest, in dem Server vor dem Einsatz bei den Kunden Stresstests bestehen müssen. Für die Workstations und Desktops gibt es eine separate Qualitätskontrolle, die allerdings teilweise ziemlich unorthodox arbeitet: Eine der Standardprozeduren ist es, ein Spiel zu starten, da dieser Applikationstyp das System auf natürliche Weise stark auslastet.   

In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)
In der Lenovo-Fabrik (Bildquelle: Benjamin Herzig/Notebookcheck.com)

Zusätzlich bereitet Lenovo auch noch Hardware vor Ort auf, wobei das in einem separaten Gebäude passiert, damit alte und neue Komponenten nicht gemischt werden. Die Fabrik setzt auf Solarenergie und im Winter werden die Server durch die Kälte von draußen gekühlt. Die Fabrik, die täglich bis zu 1.000 Server und 4.000 Desktop PCs produzieren kann, stößt natürlich immer noch CO₂ aus. Aber die Endmontage in Europa ist dennoch nachhaltiger und weniger energieintensiv als die Alternative.

Laut dem lokalen Lenovo Fabrikmanager wächst die Nachfrage nach "Made in EU for EU" stark. Zwar gibt es aktuell keine konkreten Pläne, auch Laptops an diesem Standort zu produzieren, aber dieses Szenario ist eines, das beständig auf seine Machbarkeit hin geprüft wird.

Quelle(n)

Eigene

Lenovo

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Autor: Benjamin Herzig,  3.02.2025 (Update:  4.02.2025)