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E-Fuels für eine Kilowattstunde pro Liter? Verwirrungen um Tweets der FDP

E-Fuels sollen beispielsweise aus Solarenergie produziert werden. (Bild: Synhelion/eFuel Alliance)
E-Fuels sollen beispielsweise aus Solarenergie produziert werden. (Bild: Synhelion/eFuel Alliance)
Einige FDP-Politiker verbreiten derzeit, dass E-Fuels für eine Kilowattstunde pro Liter produzierbar sind und damit angeblich effizienter als die Elektromobilität. Die Rechnung geht aber nicht auf.

Eine Agenturmeldung im Stern sorgt derzeit für kräftige Verwirrungen und Falschmeldungen rund um die E-Fuel-Debatte. In dem Artikel "E-FUELS AUS ABFÄLLEN - Forscher produzieren klimaneutralen Kraftstoff" wird für die Produktion von "E-Fuels" ein äußerst niedriger Energieaufwand angegeben. Gerade mal eine Kilowattstunde soll die Produktion eines Liters Kraftstoff kosten.

Bedenkt man, dass in einem Liter eines typischen Kraftstoffs rund 10 kWh Energie stecken, wäre dies ein wahrlich fantastisches Ergebnis. Mit einigen Verlusten ließe sich dies wieder in Strom verwandeln, um daraus noch mehr Kraftstoff zu erzeugen.

Energie, die in einem Liter steckt (Bild: eFuel Alliance)
Energie, die in einem Liter steckt (Bild: eFuel Alliance)

Insbesondere in E-Fuel-Kreisen und bei zahlreichen FDP-Politikern wurde die Meldung sehr wohlwollend aufgenommen und über soziale Medien weiterverbreitet. Besonders erfolgreich war dies bei dem Hamburger FDP-Politiker Michael Kruse. Sein Tweet hat bis zum Redaktionsschluss dieser Meldung rund 157.000 Aufrufe erzielen können. Ein voller Erfolg.

Kruse zitiert dabei die Rechnung, die in der Agenturmeldung verbreitet wurde. Dort heißt es: "Für die Herstellung von einem Liter Kraftstoff benötige die Anlage eine Kilowattstunde Strom. Um ein Auto 100 Kilometer weit fahren zu lassen, seien also rund 5 Kilowattstunden Strom nötig. Ein Elektroauto verbrauche dagegen auf dieser Strecke etwa 15 Kilowattstunden". Damit wäre das Elektroauto hochgradig ineffizient.

Problem an dem Artikel ist allerdings, dass es sich bei dem Kraftstoff gar nicht um E-Fuels handelt. Stattdessen geht es um Speisefette, sogenannte CVOs oder auch Hydrotreated Vegetable Oil. Diese müssen allerdings auch erst anfallen/produziert werden. Dementsprechend wurde der Tweet mit viel Häme überzogen, insbesondere, da Kruse für die Themen "Energiepolitik & Häfen" für die FDP im Deutschen Bundestag sitzt. Zahlreiche Nutzer forderten eine Korrektur oder Löschung, die bisher allerdings nicht stattfand.

Ein anderer FDP-Kollege, Gert Wöllmann, hat dies vorbildlich gemacht. Auch er ist auf den Stern-Artikel hereingefallen, wobei er diesen Artikel mit einem "Wenn das stimmt" schon deutlich distanzierter und sachlicher betrachtete. Als er seinen Irrtum bemerkte, hat Wöllmann den Tweet gelöscht und die Löschung transparent gemacht.

Dies hat mehrere Vorteile. Zum einen kann sich die Falschinformation nicht weiter verbreiten. Zum anderen macht er seine Follower auf den Fehler aufmerksam.  Allerdings muss dabei bedacht werden, dass sich Korrekturen per Twitter in der Regel nicht in dem Maße verbreiten, wie die eigentlichen Falschmeldungen. Der Twitter-Algorithmus sorgt indirekt dafür, vermutlich weil die Anzahl der Interaktionen bei einer Korrektur nicht besonders hoch ist. Derartige Tweets haben also einen geringeren Wert.

Meldung ist bei vielen Publikationen erschienen

Wie bei Agenturmeldungen üblich, laufen diese auch in vielen anderen Publikationen nahezu gleichlautend durch die Ticker. Stern.de ist also bei weitem nicht die einzige Webseite mit den Informationen. Auch das Fachmedium Process hat diesen Artikel übernommen. Selbiges gilt für die Verkehrsrundschau. Dazu kommen zahlreiche Lokalblätter, wie eine Suche nach der Überschrift des Artikels schnell ergibt. Es ist zu erwarten, dass nun viele Menschen fälschlicherweise davon ausgehen, dass E-Fuels nur wenig Energie für die Produktion brauchen – zusätzlich zu jenen, die per Tweet aus dem Augenwinkel informiert wurden, und den Artikel möglicherweise nicht einmal gelesen haben.

Agenturmeldungen müssen von deutschen Redaktionen formal nicht korrigiert oder auf Korrektheit geprüft werden, dafür sorgt das sogenannte Agenturprivileg (siehe auch ein Privileg stärkendes Urteil).

Zum Thema E-Fuels hat Notebookcheck kürzlich einen Hintergrundartikel veröffentlicht: E-Fuels im Datencheck: Wie teuer, wie viel, wie sinnvoll

Update 19. April 2023, 19:45 Uhr: Im Artikel stand zunächst HVO statt CVO. Der Fehler wurde korrigiert.

Update 20. April 2023, 10:32 Uhr: Korrektur auf CVO wurde zurückgenommen und Verdeutlichung, dass Abfälle erst anfallen/produziert werden müssen.

Quelle(n)

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Autor: Andreas Sebayang, 19.04.2023 (Update: 20.04.2023)