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E-Fuels im Datencheck: Wie teuer, wie viel, wie sinnvoll

Synthetischer Kraftstoff nutzt CO2 aus der Luft und gibt es erst beim Verbrennen wieder ab. (Bild: Viktor Hanacek/picjumbo)
Synthetischer Kraftstoff nutzt CO2 aus der Luft und gibt es erst beim Verbrennen wieder ab. (Bild: Viktor Hanacek/picjumbo)
Retter der Autoindustrie, CO2-neutral, verheerende Energiekosten - die Aussagen und Meinungen zu E-Fuels könnten unterschiedlicher kaum sein. Wir haben die verfügbaren Daten und Fakten zusammengetragen und ziehen Bilanz, auch für den Individualverkehr.

Gleich vorweg: E-Fuels werden hergestellt. Sie lassen sich wie Benzin und Diesel von der Tankstelle verwenden und sind bei zahlreichen Fahrzeugtypen durch die Hersteller freigegeben. Das zeigt unter anderem ein großer Test des ADAC mit unterschiedlichen Pkw über einen Zeitraum von mehreren Wochen inklusive Abgasmessungen. Dabei wurde unter anderem weder ein höherer Verbrauch noch ein vermehrter Ausstoß von Abgasen festgestellt.

Bereitgestellt wurde der synthetische Treibstoff von der Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH. Diese hat bis zur Fertigstellung dieses Artikels nicht auf unsere Anfragen zu Kosten, Energieaufwand oder genutzten Energiequellen geantwortet. Mit etwas Aufwand lassen sich diese Angaben - mit einer gewissen Unschärfe - aus öffentlichen Quellen, den Statistiken von Lobbyverbänden und beispielsweise beim Statistischen Bundesamt zusammentragen.

Grob vereinfacht verhält es sich bei unterschiedlichen Antrieben so, dass der E-Motor gewinnt. Aber es sollte auf den gesamten Prozess geschaut werden.
Grob vereinfacht verhält es sich bei unterschiedlichen Antrieben so, dass der E-Motor gewinnt. Aber es sollte auf den gesamten Prozess geschaut werden.

Verbrenner durchweg ineffizient

Beliebt ist der Vergleich zwischen hohem Wirkungsgrad eines Elektromotors und dem Gleichnis von der fahrenden Heizung, also dem Verbrennungsmotor. Ganz so simpel ist es natürlich nicht:

Ein batteriebetriebenes Fahrzeug (BEV) verbraucht typischerweise 15 kWh Strom auf 100 km. Allerdings kann diese Strommenge nur mit Verlusten in den Akku geladen werden, sodass der Wert auf 17 kWh steigt. Der große Haken versteckt sich in der Batterie, welche nach verschiedenen Quellen im schlimmsten Fall 180 kWh pro Kilowattstunde Kapazität in der Herstellung benötigt. Ein 50-kWh-Akku, der 100.000 km gefahren wird, sorgt auf diese Lebensdauer gerechnet noch einmal von 11 kWh mehr auf 100 km - zusammen 28 kWh.

Ein Wasserstoff betriebener Pkw benötigt knapp 1 kg flüssigen Wasserstoff auf 100 km. Diese Menge enthält 33 kWh Energie. Die Elektrolyse des Wasserstoffs aus Wasser verbraucht allerdings 55 kWh. Zudem muss der Treibstoff gelagert, transportiert und gekühlt werden. 65 kWh werden somit grob geschätzt für 1 kg veranschlagt.

Bei E-Fuels halten sich die Hersteller bedeckt. Aus verschiedenen Grafiken, die die Ineffizienz keineswegs schönfärben, lassen sich circa 130 kWh extrapolieren, wenn auf 100 km 7 Liter verbraucht werden, die knapp 80 kWh Heizwert besitzen. Auch hier sind Transport und Lagerung noch nicht inbegriffen. Der Wert dürfte damit auf ungefähr 150 kWh anwachsen.

Nicht ganz so einfach gestaltet sich die Suche nach den Energiekosten für 1 Liter Benzin. Dessen gespeicherte Energie wurde schließlich vor Millionen Jahren aufgewendet, um jetzt im großen Stil freigesetzt zu werden. Von den 80 kWh Energie, die 7 Liter Benzin in etwa aufweisen, werden aber nur knapp 25 kWh tatsächlich zum Fahren verwenden. 70 kWh könnten hingegen in einem Heizkraftwerk, einer Ölheizung etc. effektiv genutzt werden. Hinzu kommen die Energiekosten bei der Förderung, beim Transport und in der Raffinerie, welche auf grob 20 % der Gesamtenergiemenge geschätzt werden. Das ergibt mindestens 60 kWh Energieaufwand beim klassischen Benzin, wenn die Entstehung von Erdöl komplett außer Acht gelassen wird. Sonst wären es mindestens 96 kWh.

Wie man es dreht und wendet, beim Energieaufwand liegen E-Fuels abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Mit dem realen Heizwert von Benzin, aber ohne den teuren Akku liegt das E-Auto klar vorn.
Mit dem realen Heizwert von Benzin, aber ohne den teuren Akku liegt das E-Auto klar vorn.
Milchmädchenrechnung: Käme Erdöl aus dem Nichts und hätte die Nutzung keine Folgen, wäre der Verbrenner ein Traum.
Milchmädchenrechnung: Käme Erdöl aus dem Nichts und hätte die Nutzung keine Folgen, wäre der Verbrenner ein Traum.
Müssen Treibstoffe hergestellt und transportiert werden sowie Akkus teuer produziert werden, bleibt die Effizienz des E-Motors unschlagbar.
Müssen Treibstoffe hergestellt und transportiert werden sowie Akkus teuer produziert werden, bleibt die Effizienz des E-Motors unschlagbar.

Herstellung von E-Fuels bleibt Zukunftsmusik

Wenige Informationen finden sich zur Herstellung. Angesichts des hohen Energieaufwands und der derzeit enormen Kosten für Energie verwundert das jedoch weniger. Aus einer Grafik des Lobbyverbandes eFuel Alliance lässt sich immerhin ein Preis pro Liter von knapp 3 Euro ableiten. Weitere Abgaben oder Steuer beinhaltet dieser Wert aber noch nicht. Zum Vergleich: Ohne Steuern kostet ein Liter Benzin etwa 60 Cent.

Zu aktuell herstellbaren Mengen lässt sich das Projekt Haru Oni in Chile heranziehen. Dort sollen derzeit mit erneuerbaren Energiequellen 130.000 Liter E-Fuels produziert werden. 2024 soll die Menge auf 55 Millionen Liter steigen und 2026 den Wert von 550 Millionen Litern erreichen. Das wäre eine Steigerung um das 4.000-fache. Selbst ein Technik-Start-up dürfte vor solchen Wachstumszahlen zusammenzucken.

Es bleiben 130.000 Liter in Chile und hier und da ein paar 10.000 Liter in diversen Anlagen in Europa und weltweit.

Energiekosten für ganze Volkswirtschaften

E-Mobilität im Individualverkehr würde knapp 12 % der deutschlandweiten Strommenge benötigen.
E-Mobilität im Individualverkehr würde knapp 12 % der deutschlandweiten Strommenge benötigen.
Allein die Pkw in Deutschland würden mit E-Fuels betrieben fast die gesamte Stromproduktion benötigen.
Allein die Pkw in Deutschland würden mit E-Fuels betrieben fast die gesamte Stromproduktion benötigen.

Zu guter Letzt lohnt der Blick auf die benötigte Gesamtmenge, die der Individualverkehr in Deutschland zum Betrieb benötigt. Da wären 50 Millionen Pkw mit durchschnittlich 10.000 km Laufleistung bei einem Verbrauch von 7 Litern. Mit anderen Worten werden 35 Milliarden Litern Benzin und Diesel verbrannt, wobei noch kein Lkw, kein Bus und keine Diesellokomotive oder Schiff in Bewegung gesetzt wurden.

Umgerechnet in kWh für die Herstellung einer äquivalenten Menge E-Fuels wären das 570 Milliarden kWh Strom. Die gesamte Strommenge, die in Deutschland produziert wird, liegt bei etwa 600 Milliarden kWh. Dazu ist anzumerken, dass der Industriestandort Deutschland nicht wenig Strom herstellt. Frankreich mit einer Vielzahl an Atomkraftwerken erreicht circa 530 Milliarden kWh. Das weniger industrielle Ägypten mit immerhin 110 Millionen Einwohnern kommt auf eine Stromproduktion von 180 Milliarden kWh.

Im Gegensatz dazu wäre der Strom für den Betrieb von 50 Millionen E-Autos mit 75 Milliarden kWh Strom im Jahr tatsächlich realisierbar.

Fazit

Es ist faszinierend, dass ein vollwertiger Ersatz von Benzin und Diesel komplett synthetisch und mit der Verwendung von CO2 aus der Umgebungsluft hergestellt werden kann. Zudem schneidet der Wirkungsgrad von etwa 60 % bei der Herstellung gar nicht schlecht ab.

Das eigentliche Problem liegt in der schieren Menge an benötigtem Treibstoff allein für den Individualverkehr. Es erscheint nahezu unmöglich, eine derartige Menge Strom für ein solches Produkt aufbringen zu können. Zurück zum Beispiel Chile: Dort müssten 40.000 Windräder aufgestellt werden, die gar nicht dem eigenen Land zugutekommen, während hierzulande schon über die Verlegung von Stromleitungen erbittert gestritten wird.

Gleichzeitig wäre nur ein Achtel davon nötig, um elektrisch zu fahren. Aber auch dieser Wert bleibt gigantisch, wenn auch mit der entsprechenden Infrastruktur umsetzbar. Im Kern sind zu viele Autos auf zu vielen Strecken unterwegs, die vermeidbar wären. Und Effizienz können sich die wenigsten Modelle auf die Fahnen schreiben. Vom einstmals herbeigesehnten 3-Liter-Auto ist nicht mehr viel übrig und für einen 3-Tonnen-SUV mit 500 PS Elektromotor sind die 15 kWh aus unserer Beispielrechnung nicht ansatzweise erreichbar.

Leider liegt die Lösung des Dilemmas wieder einmal im "weniger". Weniger Individualverkehr, weniger Verbrauch, weniger Strecken allein zurücklegen. Dann ist der Stromverbrauch für Elektromobilität auch in der Breite mühelos abfangbar und ein paar wenige Oldtimer können im Jahr 2050 mit teuren E-Fuels weiterhin betrieben werden.

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> Notebook Test, Laptop Test und News > News > Newsarchiv > News 2023-04 > E-Fuels im Datencheck: Wie teuer, wie viel, wie sinnvoll
Autor: Mario Petzold,  3.04.2023 (Update:  3.04.2023)