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MWC 2023 | STM ST60: Firmwareupdates mit 60 GHz durchs Smartphoneglas schicken

Diese USB-Kamera kann sich unabhängig von der Datenverbindung drehen. (Foto: Andreas Sebayang/Notebookcheck.com)
Diese USB-Kamera kann sich unabhängig von der Datenverbindung drehen. (Foto: Andreas Sebayang/Notebookcheck.com)
Hintergrund: Auf dem MWC hat ST Microelectronics den aktuellen Stand seiner drahtlosen ST60-Verbindung vorgestellt, dessen erster Abnehmer noch immer geheim ist. Vieles spricht dafür, dass Apple die Technik bereits einsetzt, die Vorteile einer Steckverbindung mit Widerstandsfähigkeit kombiniert.

Schon seit Jahren arbeitet STMicroelectronics (STM) an seiner ST60-Verbindung. Die Technik erlaubt eine Datenverbindung ohne Steckverbindung, die sich dennoch wie eine Steckverbindung verhält, so das Versprechen des Herstellers. Das ist zum Beispiel wichtig, um ein Firmware-Update durchzuführen oder üblicherweise Steckverbindungen besser vor Umwelteinflüssen abzusichern.

In einer ST60-Verbindung im V-Band (60 GHz) können zwei verschiedene Übertragungsprotokolle untergebracht werden. Zum einen wäre das etwa Ethernet mit etwas über 6 GBit/s (ST60A2) und zum anderen USB 2.0 mit dem etwas jüngeren ST60A3. Wer jetzt in die Historie alter Drahtlostechniken schaut, der weiß, dass es dies eigentlich schon gibt. Wireless Ethernet gibt es in der Ausprägung WLAN und Wireless USB hat zwar keine Bedeutung mehr, aber existiert ebenfalls seit Langem.

Und dann gibt es da noch prinzipiell die Kombination. Letzteres nutzt etwa Lenovo in seinem Wireless Dock mithilfe von Synaptics-Technik, die Notebookcheck schon ausführlich erklärt hat. Hier kommt Media Agnostic USB unter Windows zum Einsatz.

Der Unterschied zwischen ST60-Verbindungen und anderen Wireless-Verbindungen liegt im Detail. Denn die ST60-Verbindung soll sofort bereitstehen. Es gibt keine Aushandlung, keine Kopplung, keine SSID, in die man sich einbuchen muss. Stattdessen wird die Verbindung beispielsweise einfach über Magneten "zusammengesteckt", ganz ohne klassische Stecker-Buchse-Verbindung. Alternativ ist ein Abstand bis zehn Zentimeter möglich.

Ohne Steckvorgang: Firmware ab Werk aufspielen

Eines der Szenarien, für die sich die Technik eignet, ist das Bespielen der Firmware von Geräten. Es ist nicht untypisch, dass etwa ein Smartphone erst produziert wird, die Firmware jedoch nicht fertig ist oder als spezielle Produktionsversion aufgespielt wird. Bei Apples iPhones erkennt man das etwa immer wieder an unterschiedlichen Builds des Betriebssystems auf neuen Geräten, die sich von den Builds, die per Softwareupdate verteilt werden, unterscheiden.

Um aktuelle Software aufzuspielen, wird traditionell weiter eine Kabelverbindung verwendet. Per ST60 wäre dies unnötig. Theoretisch ist sogar denkbar, die fertig verpackten Geräte vor dem Versand nochmal zu aktualisieren, sofern erhöhte Temperaturen während des Updates innerhalb der Verpackung und die Akkukapazität nicht dagegen sprechen. Denn eine ST60-Verbindung kann durch Holz, Papier, Plastik und sogar Glas funken. Bei modernen Verpackungen ist das Glas eines Smartphones meist sehr nah an der Oberfläche.

Empfänger und Sender mit einem typischen Abstand. (Bild: Andreas Sebayang/Notebookcheck.com)
Empfänger und Sender mit einem typischen Abstand. (Bild: Andreas Sebayang/Notebookcheck.com)

Auch die Energieübertragung ist kein Problem. ST60 kann mit einer drahtlosen Energieübertragung kombiniert werden. Die Verbindung selbst braucht übrigens gerade einmal 66 mW für eine Ethernetverbindung (5 GBit/s). USB 2.0 ist allerdings deutlich ineffizienter. 240 mW braucht es für 480 MBit/s. Die Angaben sind Leistungsaufnahmen von Empfänger- und Senderchip in Kombination, wobei der Empfang etwas weniger Energie braucht.

Die maximale Distanz liegt bei 10 Zentimetern. Machbar ist allerdings auch eine Beschränkung auf wenige Millimeter. Laut STM sorgt das für Sicherheit. Das verwendete 60-GHz-Band wird zudem stark durch die Luft gedämpft, so der Hersteller. Freilich ist gerade für Firmware-Upgrades davon auszugehen, dass weitere Sicherheitsmechanismen greifen.

Neben Upgrades bei der Produktion kann die Verbindung aber auch für die Diagnose, etwa in einem Reparaturshop verwendet werden. Der Vorteil für alle Beteiligten: Es gibt keine sich abnutzenden Anschlüsse und trotzdem gilt ST60 als Kabelverbindung. Eventuelle Wasser- und Staubdichtigkeit lässt sich dann leichter umsetzen.

Für STM sind das übrigens "Endkundenszenarien". Interessanterweise sprach man nicht von tatsächlichen Szenarien, die daheim angewandt werden könnten. In den Datenblättern findet sich immerhin eine Erwähnung von Zubehör. Ein Smartphone oder Notebook, das komplett ohne Anschlüsse auskommt, erscheint trotzdem erst einmal unwahrscheinlich. Zumal der ST60A3-Chip nur USB 2.0 unterstützt. 

STM will aber auch in den Profimarkt. Bei Digital-Signage-LED-Wänden soll die Technik etwa zum Einsatz kommen. Die Datenverbindungen zwischen den Paneelen sind laut STM beispielsweise oft Gigabit-Ethernet-Verbindungen. Per ST60 muss hier zumindest für die Daten nichts mehr gesteckt werden und ist vor Umwelteinflüssen geschützt. 

Aktuell arbeitet STMicroelectronics daran, das ST60-Konzept auch für Bewegungen umzusetzen, wie ein Vertreter des Unternehmens Notebookcheck.com auf dem MWC sagte. In Zukunft sollen etwa Roboterarme keine Kabelverbindungen mehr für Daten haben. Die Idee hatte STM schon länger, doch bisher mangelte es an einer Umsetzung. Die ständigen Bewegungen sind ein Schwachpunkt für Datenverbindungen. Auf dem MWC demonstrierte STM dementsprechend eine sich drehende Kamera, die ihre Daten trotz der Bewegung kontaktlos weiterreichen konnte. 

Auch wenn STM schon seit Jahren von der Technik spricht: Auch auf dem MWC konnte der Hersteller überraschenderweise nicht einen Abnehmer der Technik nennen. Gleichzeitig befindet sich die Technik aber längst in Produktion. Der Grund: Wer auch immer die ST60-Chips abnimmt, der hat STM zum Stillschweigen verpflichtet.

Apple nutzt die Technik vermutlich schon

Es ist schon länger in der Gerüchteküche bekannt, dass Apple den letzten Anschluss der Apple Watch Series 7 entfernt hat und durch eine 60-GHz-Schnittstelle ersetzt hat. Thematisiert wurde das unter anderem von iFixit aber auch auf Twitter, wo sogar der Chipname ST60A3 genannt wird. Das konkretisierte sich später noch, denn viele Informationen gibt es erst seit dem März 2022.

Der Hintergrund dieser Entscheidung ist nachvollziehbar. Apple spart sich einen Anschluss, der potenziell kaputt gehen kann. Wie gehabt dokumentiert Apple derartiges allerdings nicht. Selbst Bilder von dem Dock, das Apple offensichtlich nutzt, sind selten.

Vieles spricht also dafür, dass der ST60-Chip tatsächlich in der Apple Watch steckt, denn die von STMicroelectronics propagierten Vorteile des Systems würden hier genau passen. 

Eine ST60-Verbindung verhält sich wie ein Kabel, das einfach angesteckt wird. Die Apple Watch verliert also nicht ihren Zugang für Servicefälle. Aufgrund der geringen Reichweite von maximal zehn Zentimetern bis hinunter zu wenigen Millimetern ist es auch praktisch fast ein Steckvorgang, nur dass im Servicecenter niemand mit einem winzigen Stecker hantieren muss. 

ST60 im Vergleich zu anderen Funkstandards. Achtung: Logarithmische Darstellung. (Bild: STM)
ST60 im Vergleich zu anderen Funkstandards. Achtung: Logarithmische Darstellung. (Bild: STM)

Quelle(n)

Mobile World Congress & Datenblatt ST60A2 sowie Datenblatt ST60A3

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Autor: Andreas Sebayang, 28.02.2023 (Update:  1.03.2023)