Die Vision der vollständigen Immersion in virtuelle Umgebungen stand lange im Konflikt mit dem inhärenten Kompromiss von VR-Headsets: dem vollständigen Blockieren der Sicht auf die physische Umgebung. Beleve Vision aus Japan tritt nun mit der Technologie Portalgraph an, diesen Konflikt aufzulösen. Der Hersteller, der für diese Entwicklung bereits Auszeichnungen wie den TGS Audience Award Grand Prix erhielt, bewirbt das System als eine VR-Projektion, die das Sichtfeld des Nutzers nicht beeinträchtigt und somit eine Headset-freie 3D-Technologie realisieren soll.
Technische Funktion und Gerätekompatibilität
Die technische Grundlage von Portalgraph scheint in einem proprietären Projektions- und Trackingsystem zu liegen. Laut Hersteller funktioniert die Technologie durch das Hinzufügen von Assets in Unity-Szenen, wodurch die Darstellung auf einem angeschlossenen Screen sofort in ein "Portal" umgewandelt wird. Entscheidend ist die breite Kompatibilität: Portalgraph soll nicht auf spezialisierte Hardware angewiesen sein, sondern mit Standard-LCD-Displays, PC-Desktops, Projektionen auf Tische und sogar mit herkömmlichen 3D-Fernsehern zusammenarbeiten. Diese Diversität im Frontend würde – sollte sie in der Praxis überzeugen – die Nutzungsschwelle für immersive Medien signifikant senken.
Kritische Betrachtung der Immersion und des Sichtfeldes
Ungeachtet der unbestreitbaren Vorteile in puncto Tragekomfort und Sicherheit gegenüber konventionellen VR-Headsets, ergeben sich substanzielle Fragen bezüglich der tatsächlich erreichbaren Tiefe der Immersion. Der Produzent argumentiert, Portalgraph sei in der Lage, das Sichtfeld (Field of View) von etwa $100° – einer gängigen Spezifikation bei Headsets – zu überschreiten. Technisch betrachtet bleibt jedoch offen, wie diese Ausweitung des Sichtfeldes mittels einer externen Projektion realisiert werden soll, da die Darstellung zwangsläufig an die nativen Dimensionen des verwendeten Bildschirms gebunden ist.
Es ist derzeit noch nicht ersichtlich, welche proprietären Display- oder Linsensysteme zum Einsatz kommen, um diese beworbene Expansion zu ermöglichen. Zudem suggeriert die Eigenschaft, die virtuelle Darstellung mit der physischen Umgebung zu verschmelzen, dass es sich primär um eine Augmented-Reality (AR)-ähnliche Erfahrung handelt, welche die Realität lediglich ergänzt, anstatt eine vollständige, isolierende Virtual-Reality-Umgebung zu schaffen.
Markteinführung und Fokus auf Events
Laut Leon Sievers, Chief Product Officer von Beleve Vision, befindet sich die Technologie bereits in den frühen Stadien der Markteinführung. Konkret wird Portalgraph bereits auf Veranstaltungen eingesetzt, was die Verifizierung der Funktionalität erlaubt. Für Interessenten wurde auf der Webseite ein kostenloses PC-Browser-Demo veröffentlicht. Die Ankündigung, dass Nutzer mit einem Standard-TV bald Zugang zu headset-freien immersiven Erlebnissen erhalten sollen, steht somit noch unter dem Vorbehalt der Content-Verfügbarkeit und der notwendigen, externen Hardware-Komponenten von Portalgraph, deren genaue Spezifikationen und Kosten aktuell noch ausstehen.
Fazit und Ausblick
Portalgraph adressiert die größte Schwäche des aktuellen VR-Marktes: die soziale Isolation und der fehlende Komfort der Headsets. Sollte Beleve Vision in der Lage sein, die beworbenen Eigenschaften – insbesondere die hohe Immersion und das weite FOV auf Standarddisplays – ohne teure proprietäre Zusatzhardware zu realisieren, könnte das System das VR-/AR-Erlebnis tatsächlich neu definieren. Aktuell fehlen jedoch noch die detaillierten technischen Spezifikationen und die genauen Marktpreise der notwendigen Projektions- oder Tracking-Hardware, um eine fundierte, abschließende Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation treffen zu können.







