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Magnesiumbatterie: Amorphe Kathode ermöglicht Betrieb bei Raumtemperatur – Ein Ausweg aus dem Lithium-Dilemma

Magnesiumbatterie: Amorphe Kathode ermöglicht Betrieb bei Raumtemperatur – Ein Ausweg aus dem Lithium-Dilemma (Bildquelle: GPT-image-1)
Magnesiumbatterie: Amorphe Kathode ermöglicht Betrieb bei Raumtemperatur – Ein Ausweg aus dem Lithium-Dilemma (Bildquelle: GPT-image-1)
Die Abhängigkeit von Lithium in mobilen Energiespeichern stellt die Elektronikindustrie vor wachsende Herausforderungen: Die Ressource ist geopolitisch sensibel, teuer und die Akkus bergen aufgrund der internen Kurzschlussgefahr durch Dendriten ein bekanntes Sicherheitsrisiko. Der Magnesiumbatterie ist ein entscheidender Durchbruch gelungen: Forschende der Tōhoku University präsentieren einen Prototyp, der erstmals bei Raumtemperatur arbeitet. Dieses Problem überwindet die kinetischen Probleme der zweiwertigen Magnesium-Ionen und positioniert die Technologie als sichere und nachhaltige Alternative zu Lithium-Ionen-Akkus für die nächste Gerätegeneration.

Die Abhängigkeit von Lithium in mobilen Energiespeichern stellt die Elektronikindustrie vor wachsende Herausforderungen: Die Ressource ist geopolitisch sensibel, teuer und die Akkus bergen aufgrund der internen Kurzschlussgefahr durch Dendriten ein bekanntes Sicherheitsrisiko. Laut einer aktuellen Studie der Tōhoku University, die im Fachjournal Communications Materials erschien, veröffentlicht via Nature, gelang japanischen Forschern nun ein entscheidender Durchbruch bei der Magnesiumbatterie. Ihnen gelang es erstmals, einen Prototypen zu konstruieren, der stabil und effizient bei normaler Raumtemperatur arbeitet.

Das Dilemma der langsamen Magnesium-Ionen

Die Magnesiumbatterie gilt seit Jahrzehnten als der logische Nachfolger der Lithium-Ionen-Technologie. Magnesium bietet zwei wesentliche Vorteile. Erstens ist Magnesium eines der am häufigsten vorkommenden Elemente der Erde und global reichlich verfügbar, was die Produktionskosten senken und die Versorgungssicherheit erhöhen würde. Technologisch gesehen ist der größte Vorteil die dendritenfreie Lade- und Entlade-Charakteristik der Magnesium-Anode – ein Sicherheitsplus, das Akkubrände durch interne Kurzschlüsse nahezu ausschließt.

Das Kernproblem, das einer kommerziellen Anwendung bisher im Wege stand, ist jedoch rein chemischer Natur. Die Magnesium-Ionen tragen im Gegensatz zu Lithium-Ionen eine doppelte positive Ladung. Diese zweiwertige Ladung führt zu einer stark erhöhten elektrostatischen Wechselwirkung mit den festen Strukturen des Kathodenmaterials. Die Ionen können deshalb nur extrem langsam in das Speichermaterial eindringen und sich darin bewegen. Diese träge Dynamik, in der Fachsprache als kinetische Limitierung bekannt, verhinderte einen normalen Betrieb. Frühere Magnesiumbatterie-Prototypen waren deshalb gezwungen, bei erhöhten Betriebstemperaturen von 60° C oder sogar 90° C zu arbeiten, was sie für Laptops, Smartphones oder Elektroautos untauglich machte.

Amorphe Architektur als Lösung für den Ionentransport

Das japanische Forschungsteam um Tomoya Kawaguchi und Tetsu Ichitsubo hat diese fundamentale kinetische Barriere nun umgangen. Sie entwickelten ein neuartiges Kathodenmaterial, das keine starre, kristalline Struktur besitzt, sondern bewusst amorph – also ungeordnet und glasartig – ist.

Die Synthese dieser amorphen Oxidkathode erfolgte über einen chemischen Trick: Zuerst stellten die Forscher ein Lithium-reiches Ausgangsmaterial her, das anschließend einem Ionenaustausch unterzogen wurde. Dabei wurden die Lithium-Ionen gezielt durch Magnesium-Ionen ersetzt.

Dieser Austauschprozess führte zur gewollten Zerstörung der ursprünglichen Kristallstruktur. Das Ergebnis ist ein Nanopartikel-Material, das ein ungewöhnlich hohes „freies Volumen“ aufweist. Dieses unstrukturierte, offene Volumen fungiert als effizienter Migrationspfad oder „Kanal“ und ermöglicht den schwereren, zweiwertigen Magnesium-Ionen eine deutlich schnellere Diffusion in der Kathode. Damit konnte die reversible Energiespeicherung, die Aufnahme und Freigabe von Ladung, mit Magnesium-Ionen erstmals bei Raumtemperatur erfolgreich nachgewiesen werden. Die Ladungskompensation im Akku erfolgt hierbei durch die Redoxreaktion des chemischen Bestandteils Molybdän, das seine Ladungszustände ändert, um die ein- und austretenden Magnesium-Ionen auszugleichen.

Technische Validierung des Prototyps

Der funktionstüchtige Prototyp wurde als sogenannte Vollzelle aufgebaut. Das bedeutet, dass es sich um einen kompletten Akku handelt, bestehend aus der Magnesium-Metall-Anode, der neuen Oxidkathode und einem speziellen, oxidationsbeständigen Elektrolyten, der für diesen Kathodentyp notwendig ist.

Die Tests zur Leistungsfähigkeit des Prototyps lieferten vielversprechende, wenn auch noch optimierungsbedürftige Werte. Die anfängliche Entladekapazität lag bei etwa 150 Milliamperestunden pro Gramm. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr den Kapazitätswerten der heutigen Lithium-Oxid-Kathoden. Theoretisch bietet metallisches Magnesium als Anode jedoch ein Vielfaches dieser Speicherkapazität, was das langfristige Potenzial stark unterstreicht.

Auch die Zyklenstabilität wurde intensiv geprüft. Nach 200 Lade-Entlade-Vorgängen lieferte der Akku noch immer eine Kapazität von 70 Milliamperestunden pro Gramm. Diese im veröffentlichten Artikel dokumentierten Werte sind ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zu früheren Magnesium-Ansätzen. Chemische Analysen bestätigten zudem, dass rund 90 Prozent dieser Leistung tatsächlich auf die Speicherung und Freigabe der Magnesium-Ionen zurückzuführen waren.

Ausblick und kritische Einordnung

Die Magnesiumbatterie hat mit diesem Durchbruch ihre technische Machbarkeit für den Einsatz in Alltagselektronik bewiesen. Das Erreichen der Raumtemperatur-Funktionalität löst das größte technologische Hindernis.

Dennoch ist der Weg zur Kommerzialisierung noch lang. Eine Kapazitätsretention, die nach nur 200 Zyklen bereits signifikant abfällt, genügt nicht den industriellen Standards. Notebooks und Smartphones benötigen Akkus, die Tausende von Ladezyklen ohne drastischen Leistungsabfall überstehen. Die nächste Forschungsphase muss sich nun darauf konzentrieren, die langfristige Stabilität und die Ladegeschwindigkeit – beides wichtige Faktoren für den Endverbraucher – durch weitere Verfeinerung der amorphen Struktur und des Elektrolyten zu verbessern. Die Kombination aus überlegener Sicherheit und der Nutzung eines reichlich vorhandenen Rohstoffs positioniert die Magnesiumbatterie jedoch klar als einen der relevantesten Kandidaten für die Ablösung der Lithium-Ionen-Technologie in der Zukunft.

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> Notebook Test, Laptop Test und News > News > Newsarchiv > News 2025-10 > Magnesiumbatterie: Amorphe Kathode ermöglicht Betrieb bei Raumtemperatur – Ein Ausweg aus dem Lithium-Dilemma
Autor: Ulrich Mathey, 14.10.2025 (Update: 24.10.2025)