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Hintergrund | Wie die Stadt Bonn dank E-Ink-E-Paper-Displays besser im ÖPNV informiert und trotzdem Strom und Kabel spart

E-Paper-Display-Installation an einer Bushaltestelle. (Foto: Stadtwerke Bonn)
E-Paper-Display-Installation an einer Bushaltestelle. (Foto: Stadtwerke Bonn)
Das Informationsbedürfnis im ÖPNV hat ein grundsätzliches Problem: Aufwand. Sowohl für den Bau als auch für den oft energieintensiven Betrieb. Die Stadtwerke Bonn setzen deswegen auf ein energiesparendes System an mittlerweile 200 Bushaltestellen.

Wer kennt es nicht: Man geht zur Bushaltestelle und wundert sich, wann der nächste Bus kommt. In der Regel gibt es drei Abhilfen, um das eigene Informationsbedürfnis zu stillen: Der Blick auf den mehr oder weniger komplexen Fahrplan, der Blick in die App oder der schnelle Blick auf die Echtzeitanzeigen an der Bushaltestelle.

Doch Echtzeitanzeigen, als Teil typischer Digital-Signage-Systeme, sind nicht so einfach umzusetzen. Die Dynamischen Fahrgastinformationen (DFI) sind aufwendig. Für viele Systeme braucht es eine Stromleitung und Platz für manchmal recht aufwendige Installationen. Dazu kommt eine Kommunikationsinfrastruktur sowie laufende Kosten für den Strom.

Die Stadt Bonn, oder besser gesagt die Stadtwerke Bonn Verkehrs-GmbH (SWB), hat sich hingegen für ein System entschieden, welches obige Probleme mit einem Schlag beseitigt. Niedrige Leistungsaufnahme, leichtes Material und Kommunikation über den Mobilfunk. Seit Anfang 2023 wurden in der Stadt 200 E-Paper-Anzeigen an Bushaltestellen installiert, die mit der Displaytechnik des taiwanesischen Anbieters E-Ink arbeiten.

Das ist eine enorme Menge, denn wie die Stadtwerke auf Nachfrage Notebookcheck.com sagten, befinden sich im SWB-Gebiet rund 800 Bushaltestellen. Jede vierte Haltestelle wurde also mit der Technik ausgestattet. 

Produziert wird sie von Axentia, einem Systemanbieter, der sich auf "Ultra Low Power"-Anzeigesysteme spezialisiert hat. Damit liegt das Unternehmen gerade jetzt im Trend, wo aus Gründen der Energieeffizienz riesige Outdoor-Displays wie in Zürich in die Kritik geraten sind. Sie brauchen zu viel Energie.

Blick auf eine Haltestelle im April 2023. Oben ist die Solarzelle. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)
Blick auf eine Haltestelle im April 2023. Oben ist die Solarzelle. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)

Nicht so die Axentia-Systeme im SWB-Gebiet. Gerade einmal zwei Watt Leistungsaufnahme brauchen die Anzeiger – und zwar mit allem Drum und Dran: Anzeige, Mobilfunk und Sprachausgabe für die Barrierefreiheit über einen speziellen Taster. Die Leistungsaufnahme ist so gering, dass sich die Stadtwerke auch Kabelarbeiten sparen können. Die Energieversorgung übernimmt eine kleine Solarzelle plus eine Pufferbatterie, die nach mehr als zehn Jahren ausgetauscht werden muss.

Auf Nachfrage erklärten die Stadtwerke, dass das E-Ink-Display selbst einen kaum nennenswerten Anteil der Leistungsaufnahme hat, denn es braucht die Energie nur, wenn die Anzeige gewechselt werden muss. Bei 5.760 Bildwechseln pro Tag (also etwa vier Mal pro Minute) entspricht das einem Energiebedarf für das DFI von 0,63 Wattstunden, so die Stadtwerke.

Das ist sogar weniger als die alten Schwarzweiß-LC-Displays, die in dem Beispiel 0,72 Wh benötigen, dafür aber deutlich schlechter lesbar sind. Sie sind zwar reflektiv und damit wie E-Ink ohne Hintergrundbeleuchtung ablesbar, doch der Kontrast ist nicht ideal. E-Paper-Displays können gewissermaßen als Nachfolger der LCD-Technik gesehen werden, auch wenn sie weiter angeboten werden.

LED-Matrix-Anzeigen brauchen das 50-Fache an Energie

Wie viel Energie gespart wird, zeigt ein anderes Beispiel. Nach Angaben der Stadtwerke braucht etwa eine LED-Matrix-Anzeige (vier Zeilen) rund 100 Watt. Die Anlagen, die man an ihren orangenen LEDs gut erkennen kann, sind zudem schwer. Auch die Stadtwerke Bonn setzen auf diese Technik. Große Haltestellen oder Straßenbahnhaltestellen werden damit ausgestattet und das wird auch in Zukunft so bleiben, so die SWB. E-Ink-Displays sind dafür (noch) nicht geeignet. Bei gut genutzten Haltestellen ist der Aufwand also durchaus gerechtfertigt.

Umgekehrt bedeutet der reduzierte Aufwand der E-Ink-Displays aber auch, dass erheblich mehr Haltestellen ausgestattet werden können. Innerhalb eines halben Jahres konnte immerhin ein Viertel der Haltestellen abgedeckt werden. Das war der ursprüngliche Plan, man wollte in diesem Sommer fertig werden. Mit Matrix-Anzeigern wäre das nicht möglich gewesen.

Die E-Paper-Displays brauchen nämlich keine Tiefbauarbeiten. Sie sind zudem augenscheinlich leicht montierbar. Eine Verkabelung gibt es auch nicht, mit Ausnahme des Kabels zum Text-to-Speech-Taster. Die vorhandenen Haltestellenmasten können also weiter benutzt werden. Dazu kommen laut SWB Vorteile bei der Administration, da die Axentia-Anzeigesysteme kompatibel mit dem DFI-System des Verkehrsbetriebs sind. Damit einher geht übrigens auch eine Anpassung der Bildfrequenz an den Fahrplan. Fährt ein Bus also selten, muss folglich auch die Anzeige nicht so oft aktualisiert werden.

Weitere Vorteile, die die SWB auflisteten, sind geringe Windlasten, ein allgemein geringes Gewicht sowie einfache Reparierbarkeit und Wartbarkeit.

Die Displays haben auch einen Dark Mode. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)
Die Displays haben auch einen Dark Mode. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)
In der Gesamtaufnahme ist gut zu erkennen, dass das Display gut an Haltestellenmasten passt. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)
In der Gesamtaufnahme ist gut zu erkennen, dass das Display gut an Haltestellenmasten passt. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)

Mit den 200 Haltestellen ist das Projekt aber noch nicht beendet. Laut den SWB sind die Fahrgäste zufrieden mit dem System. Anfangs gab es Kritik an der zu kleinen Schrift. Das wurde aber durch eine Font-Anpassung behoben und seither gibt es laut SWB kaum noch solche Rückmeldungen.

Auch wir haben uns bei mehreren Besuchen in Bonn, unter anderem zu den Fujitsu Experience Days, das System angeschaut und waren mit der Art der Anzeige sehr zufrieden. Die Lesbarkeit insbesondere am Tag ist sehr gut. Abends dürfte die Lesbarkeit, typisch für E-Paper, vergleichbar mit der von Haltestellenschildern sein. Das Umgebungslicht sollte also reichen. Das konnten wir allerdings noch nicht bewusst beobachten.

Nachtrag, 5. August 2023, 13:37 Uhr: Eine Leserin hat uns freundlicherweise Bilder der E-Ink-Displays in der Nacht zur Verfügung gestellt:

E-Paper-Display im Dark Mode in der Nacht mit. Die Straßenbeleuchtung reicht aus. (Foto: Eine Leserin)
E-Paper-Display im Dark Mode in der Nacht mit. Die Straßenbeleuchtung reicht aus. (Foto: Eine Leserin)
Display bei ungünstigen Lichtverhältnissen mit Straßenlaterne im Hintergrund. (Foto: Eine Leserin)
Display bei ungünstigen Lichtverhältnissen mit Straßenlaterne im Hintergrund. (Foto: Eine Leserin)

Für die Zukunft planen die Stadtwerke die Installation weiterer Displays. Diese sollen dann aber größer sein. 

Nur wenige setzen auf reflektive LCDs oder E-Ink-E-Paper

Damit sind die Stadtwerke Bonn einer von wenigen Verkehrsbetrieben, die auf E-Paper-DFI-Systeme setzen. Im Raum München gibt es diese wohl vereinzelt. Dort sind auch reflektive LC-Displays im Einsatz. Diese kann man auch in Barcelona sehen. Nach Notebookcheck-Informationen sollen auch Stuttgart und Oberhausen an solchen Systemen arbeiten. Zudem hat Berlin vor Jahren E-Paper-Anzeigen getestet. 

In Berlin wurde das aber nicht weiter verfolgt. Berlin setzt aktuell auf neue und sehr helle LC-Displays, die in die Haltestellenhäuschen (21,5 Zoll) oder Haltestellensäulen (19 Zoll) integriert werden. Natürlich werden die Bildschirme auch für Störungsmeldungen genutzt, das ist mit E-Ink derzeit nur eingeschränkt möglich. Man kann sich vorstellen, dass die Leistungaufnahme pro Haltestelle in Berlin um ein Vielfaches höher ist. Allerdings werden die neuen Bildschirme nur an wichtigen Haltestellen installiert. Insbesondere die Säulen sind sehr selten anzutreffen. Wartehäusschen gibt es hingegen mitunter auch an selten genutzten Haltestellen. 

Allgemein gibt es nur bei wenigen Verkehrsbetrieben ein Bewusstsein für sparsame und leicht installierbare Technik. Das gilt nicht nur für die recht modernen E-Ink-Installationen, die man selbst in Taipei, der Hauptstadt des Heimatlandes von E-Ink, kaum sieht, sondern auch für die alten reflektiven LC-Displays, die zugegebenermaßen schwer zu lesen sind, aber die prinzipiellen Vorteile bereits boten. 

Angefangen hat das Projekt in Bonn übrigens schon in den Jahren 2018 und 2019 mit ersten Testpanels. Fünf unterschiedliche Systeme wurden an der Schnellbuslinie 60 seinerzeit unter dem Projektnamen "Papierlose Haltestelle" installiert, wie die Stadtwerke auf Nachfrage erklärten.

Quelle(n)

Eigene Recherchen / Stadtwerke Bonn / Axentia

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Autor: Andreas Sebayang,  4.08.2023 (Update: 10.12.2023)