Oppo Find X9 Pro und der große Kamera-Marketing-Fail: Wie irreführende Werbung Unmögliches verspricht

Oppo hat heute bestätigt, dass das Find X9 Pro Kamera-Flaggschiff auch in Europa auf den Markt kommen wird. Das Smartphone soll Kunden nicht zuletzt durch die 200 Megapixel Periskop-Tele-Kamera mit Hasselblad-Branding und 1/1,56 Zoll Sensor überzeugen.
Diese Tele-Kamera erreicht eine Kleinbild-äquivalente Brennweite von 70 mm und eine Blendenöffnung von f/2.1. Wer noch mehr Reichweite möchte, dem bietet Oppo einen optionalen Tele-Konverter an, der die Brennweite der Periskop-Tele-Kamera effektiv auf 230 mm (Kleinbild-äquivalent) erhöht, wodurch das Smartphone zehnfachen optischen Zoom erreicht.
Wie unser ausführlicher Kamera-Vergleich zeigt, führt das bei Tageslicht durchaus zu detailreicheren Fotos. Allerdings ist Oppos Marketing irreführend, denn sowohl auf der Produktseite als auch im offiziellen Review Guide gibt Oppo an, dass dieser Tele-Konverter die Tele-Kamera des Oppo Find X9 Pro in eine 230 mm f/2.1 Kamera verwandelt.
Das ist allerdings nicht möglich, da dieser Tele-Konverter vor das bestehende Objektiv der Tele-Kamera geschraubt wird. Der Durchmesser der Blendenöffnung bleibt also unverändert bei rund 6,85 Millimetern, die Brennweite wird aber auf das 3,28-fache verlängert. Während die Tele-Kamera ohne Konverter also auf eine Blendenöffnung von f/2.1 kommt, schrumpft diese mit dem Tele-Konverter auf f/6.9.
Drastischer Lichtverlust in Theorie und Praxis
Mathematisch gesehen wird nämlich nicht mehr eine tatsächliche Brennweite von 14,4 mm durch 2,1 dividiert, um auf den Durchmesser der Blende zu kommen. Stattdessen steigt die Brennweite auf 47,3 mm, der Blenden-Durchmesser bleibt aber bei 6,85 mm, die Brennweite muss also durch 6,9 dividiert werden, sprich die Blendenöffnung beträgt f/6.9. Die Zahlen wurden aus Oppos technischen Daten extrapoliert, und können daher minimal abweichen, das ändert aber nichts an der Prämisse.
Formelhaft dargestellt sieht das folgendermaßen aus:
f/k = d (f = Brennweite, k = Blendenzahl, d = Durchmesser der Blendenöffnung)
Ohne Tele-Konverter:
14,4/2,1 = 6,85, vereinfacht also f/2.1
Mit Tele-Konverter:
47,3/6,9 = 6,85, oder vereinfacht f/6.9
Das bedeutet in der Praxis einen immensen Lichtverlust, wie auch unsere Vergleichsbilder zeigen, denn beim unten eingebetteten Bild reicht ohne Tele-Konverter schon eine Verschlusszeit von 1/1.962s, mit Tele-Konverter steigt die Verschlusszeit bei gleicher Belichtung aber auf 1/359s, und das bei gleicher Sensor-Lichtempfindlichkeit (ISO 50). Nutzer verlieren durch den Einsatz des Tele-Konverters in diesem Beispiel also rund 2,5 Blendenstufen Licht. Gerade bei sehr wenig Licht ist der Einsatz des Tele-Konverters daher nicht empfehlenswert.
Kamera-Hersteller zeigen, wie ehrliches Marketing aussieht
Dass Marketing auch ehrlicher gehen würde, zeigen Kamera-Hersteller wie Canon, die bei Tele-Konvertern für Systemkameras in der Regel erklären und eindeutig spezifizieren, wie sich der Konverter auf die Brennweite und Blendenöffnung eines Objektivs auswirkt. So wird ein 70 mm f/2.8 Objektiv durch einen 1,4-fachen Tele-Konverter zum 98 mm f/4 Objektiv, durch einen 2-fachen Konverter dagegen zum 140 mm f/5.6 Objektiv – für zweifachen Zoom verliert man also bereits zwei ganze Blendenstufen an Licht.
Andere Hersteller umgehen die Problematik einfach – Vivo macht auf der Produktseite des hauseigenen Tele-Konverters schlicht keine Angaben zur Blende, und auch der Drittanbieter-Objektiv-Anbieter Moment und Fotorgear, der Hersteller des Kamera-Kits für das Nubia Z70 Ultra (ca. 800 Euro auf Amazon), verzichten auf derartige Angaben. Nachdem Oppo aber explizit eine viel zu große Blendenöffnung bewirbt, handelt es sich dabei offenkundig um fehlerhaftes, irreführendes Marketing, wenn nicht gar um Kundentäuschung.
























