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Urheberrechtsreform der EU: Was hat es mit Artikel 11 und 13 auf sich?

Quelle: ZDF
Quelle: ZDF
Im Streit um die aktuelle Reform des Urheberrechts innerhalb der EU beschießen sich Befürworter und Kritiker teilweise mit ziemlich scharfen Formulierungen und viel öffentlichen Drama. Doch worum geht es bei der Urheberrechtsreform der EU eigentlich genau und wo liegen die Probleme?

Viele Eltern dürften sich vor einigen Wochen gefragt haben, warum denn jetzt auf einmal das Kind ankam und erzählte, dass die Europäische Union Youtube und das Internet allgemein löschen lassen will. Woher das kommt, darauf wird im späteren Verlauf des Artikels noch eingegangen.

Denn der Streit um die aktuelle Urheberrechtsreform der EU geht jetzt schon seit Monaten. Wobei es hierbei eigentlich konkret nur um zwei Artikel der neuen Urheberrechtsreform geht: Artikel 11 und 13. Diese haben nämlich das Potential das Internet in seinen Grundzügen zu verändern. Ob diese Veränderungen jetzt positiv oder negativ sind, das wird aktuell teils heftig ausdiskutiert. Doch was steht denn eigentlich in diesen Artikeln drinnen?

Artikel 11

Nach Artikel 11 müsste Google seinen News-Feed vermutlich abschalten
Nach Artikel 11 müsste Google seinen News-Feed vermutlich abschalten

Bei Artikel 11 geht es um ein sogenanntes Leistungsschutzrecht, welches auch mal gerne als so genannte Linksteuer bezeichnet wird. Dieser Artikel soll ein Problem lösen, über welches sich besonders große Verlage schon seit längeren ärgern: Wenn News-Feeds von z.B. Google Artikel verlinken, dann wird auch gleich eine Kurzbeschreibung des verlinkten Artikels gezeigt, damit die Nutzer den Inhalt des Artikels schon einmal grob einschätzen können. Allerdings verdienen die Verlage an ihren verlinkten Artikeln solange kein Geld, wie der Nutzer nicht auch auf den Link drauf klickt. Und da viele Internetnutzer heute sowieso nur noch in ihrem Feed die Überschriften überfliegen, sehen die Verlage, dass ihnen hier potentielle Einnahmen abhanden kommen.

Dies soll sich nun mit Artikel 11 ändern, da dieser Artikel eine Entlohnung für die Verlage vorsieht, wenn Google oder andere Plattformen ihre Texte verlinken. Da sich die großen Internetkonzerne und besonders Privatpersonen darauf nicht einlassen werden bzw. können, dürfte es die News-Feeds auf Twitter und Google ziemlich kaputt machen. So hat auch Google mittlerweile angekündigt, dass der Konzerne seinen News-Feed für Europa deaktivieren wird, wenn Artikel 11 in Kraft tritt. Damit dürfte Google nicht die einzigen bleiben.

Allerdings beschränkt sich diese Gefahr nicht nur auf News-Feeds. Auch Features wie die Bilder-Suche bei Google könnte dadurch stark in Gefahr geraten. Denn auch hier wäre Google gezwungen, mit den Rechteinhabern entsprechende Verträge zur Nutzung der Bilder abschließen. Das dies bei der Menge an Bildern im Internet ein unmögliches Unterfangen darstellen dürfte, kann sich vermutlich jeder vorstellen.

An dieser Stelle muss noch dazu gesagt werden, dass dieses Leistungsschutzrecht schon einmal in der realen Welt ausprobiert wurde. Und zwar in Spanien. Hier hat das Recht dazu geführt, dass die Sichtbarkeit der News im Internet drastisch abnahm, da niemand mehr etwas verlinken wollte. Dadurch haben auch die Autoren nichts von dem zusätzlichen Geld gesehen. Auf der anderen Seite hat dies dazu geführt, dass News aus eher zweifelhafter Quelle Hochkonjunktur hatten, da die Autoren dieser Texte gerne auf ihr Leistungsschutzrecht und eine Entlohnung verzichten wollten.

Die Lobby der Verlage

Auch Katarina Barley wurde von der FAZ in dieser Diskussion angegriffen (Bild-Quelle: Flickr)
Auch Katarina Barley wurde von der FAZ in dieser Diskussion angegriffen (Bild-Quelle: Flickr)

Hier muss auch nochmal kurz auf die Rolle der großen Verlage hingewiesen werden, die teils massiv Stimmung für das neue Leistungsschutzrecht machen.

So fand sich ausgerechnet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Anfang des Monats in einem kleinen Shitstorm wieder, da sie wiederholt falsche Informationen zu der Rechtssituation im Internet verbreitet hat und die Gegner von Artikel 11 teils auch in einem sehr unschönen Licht dargestellt hat. So hat die FAZ wiederholt berichtet, dass es sich beim Internet um einen Raum ohne Urheberrecht handeln würde und dass die Gegner des neuen Urheberrechts gezielt Kinder und junge Leute gegen die EU aufwiegeln würden. Das es sich beim Internet nicht um einen rechtsfreien Raum handelt, wurde hierbei in diversen Artikeln wiederholt ignoriert. So wird schon jetzt aktuelles Urheberrecht auch auf den großen Internetplattformen angewendet und durchgesetzt. Auch dass sich die Stimmung nicht gegen die EU als solche, sondern hauptsächlich gegen die zwei Artikel richtet, wurde hier gekonnt ignoriert. Weiterhin hat die FAZ z.B. auch einen Artikel veröffentlicht, in welchem der Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz Katarina Barley vorgeworfen wird, sie würde "den Urhebern und der unabhängigen Presse in den Rücken fallen", weil sie die Sorge geteilt hat, dass von dieser Regelung große Verlage mehr profitieren als kleine.

Allerdings muss an dieser Stelle nochmal betont werden, dass die FAZ hier nur ein Beispiel von vielen ist. So haben auch Künstler und Promis wie Ex-Beatle Paul McCartney und Udo Lindenberg schon für Artikel 11 und 13 geworben.

Artikel 13

Dieses Logo dürfte nach Artikel 13 häufiger auf Youtube zu sehen sein
Dieses Logo dürfte nach Artikel 13 häufiger auf Youtube zu sehen sein

Doch worum geht es denn jetzt in Artikel 13? Dieser zielt im Gegensatz zu Artikel 11 nämlich nicht darauf ab, die Verlage zu stärken. Vielmehr geht es hier um eine grundsätzliche Verschiebung der Schuldfrage bei Urheberrechtsverletzungen.

Rechtlich sieht es bisher aus wie folgt: Wenn ein Nutzer einer Plattform auf dieser Plattform urheberrechtlich geschütztes Material veröffentlicht, dann ist der Nutzer für diese Verletzung auch haftbar. Mit Artikel 13 des neuen Urheberrechts würde diese Verantwortung nun auf die Plattformbetreiber übergehen. Konkret heißt das, dass Plattformen wie Youtube für den Content, den ihre Nutzer veröffentlichen, verantwortlich und haftbar sind. Das macht auf den ersten Blick auch Sinn, da es bisher oftmals schwierig war für Verlage und Filmproduzenten an die wahre Identität von Urheberrechtsverletzern im Internet zu kommen und diese zur Rechenschaft zu ziehen.

Das Problem hierbei ist nur, dass Plattformen wie Youtube sich natürlich vor möglichen Urheberrechtsverletzungen schützen müssen, da sie ja dann für diese Verletzungen haften würden. Und das würde nur über einen Mechanismus funktionieren: Upload-Filter. Hierbei wird jedes Video, welches hochgeladen wird, vor der Veröffentlichung auf Urheberrechtsverletzungen gescannt. Das würde potentiell dazu führen, dass Nutzer, welche z.B. Trailer wieder veröffentlichen oder analysieren etc. dies in Zukunft nicht mehr tun könnten. An dieser Stelle muss noch dazu gesagt werden, dass die EU hier schon nachgebessert hat: So sind z.B. Memes oder Parodien davon ausgenommen, als Urheberrechtsverletzung angesehen zu werden. Das Problem ist nur: Wie soll ein automatischer Algorithmus von Google feststellen, ob der gescannte Videoclip gerade als Parodie nochmal veröffentlicht wird.

Hinzu kommt, dass Youtube schon ein ähnliches System in Betrieb genommen hat. Dieses nennt sich Content ID und ist unter Nutzern der Plattform mittlerweile legendär dafür, dass es gerne und häufig auch mal komplett legitime Videos abstraft. Artikel 13 würde hierbei dazu führen, dass dieses System noch härter durchgreifen müsste und es wahrscheinlich noch deutlich häufiger zu irrtümlichen Sperrungen kommen sollte.

Der Widerstand des Internets

Die Youtube-Chefin Susan Wojcicki (Quelle: Asa Mathat)
Die Youtube-Chefin Susan Wojcicki (Quelle: Asa Mathat)

Nun hat sich in letzter Zeit vermehrt Widerstand gegen Artikel 13 formiert. Angeführt wird dieser Widerstand von Alphabet bzw. Youtube. So hat die Chefin von Youtube Susan Wojcicki in Blog-Posts wiederholt vor den Auswirkungen von Artikel 13 gewarnt. So auch kürzlich: Konkret wird hier davor gewarnt, dass Artikel 13 verstärkt dazu führen wird, dass deutlich mehr Videos für die EU geogeblockt werden würden, um im Fall von Urheberrechtsstreitigkeiten rechtlichen Abgesichert zu sein. Als Beispiel nennt Wojcicki hier den Musik-Hit Despacito, welcher vermutlich von der Plattform verschwinden würde, da es aktuell Streitigkeiten um das Urheberrecht gibt und Youtube sich rechtlich absichern wird.

Weiterhin wären Videos wie Sprachkurse und wissenschaftliche Tutorials von dem neuen Recht bedroht. Insgesamt wären Videos, die allein im letzten Monat 90 Milliarden Views generiert haben, nicht mehr in der EU verfügbar.

Zuvor hatte Wojcicki schon Anfang Oktober eine Warnung vor dem neuen Gesetz veröffentlicht und ist dabei ein wenig über das Ziel hinaus geschossen. So haben als Reaktion auf diesen Post viele deutsche Youtuber Videos veröffentlicht, die teilweise mit Titeln wie "2019 wird das Internet gelöscht" ziemlich viele besonders jüngere Nutzer mobilisiert haben, diverse Petitionen gegen Artikel 13 zu unterschreiben. Das diese Form des Wiederstandes in dieser Debatte nicht wirklich hilfreich ist, haben aber auch diese Youtuber gekonnt ignoriert. Stellen sie sich mal vor, sie würden als Abgeordneter des Europäischen Parlamentes auf einmal per Twitter eine Flut von Nachrichten bekommen, die sie auffordern, doch bitte die "Löschung des Internets" zu verhindern.

Man muss an dieser Stelle aber natürlich auch noch sagen, dass auch Youtube natürlich keines Wegs objektiv ist. So geht es hier für die Plattform auch um eine schöne Menge an Geld und Reichweite. Wenn auf einmal tausende Videos von ihrem eigenen Content-ID-System blockiert werden und viele andere Videos für Europa geogeblockt werden, bedeutet dies, dass der Plattform eine ganze Menge Werbeeinnahmen verloren geht. Zusätzlich könnten hier auch noch einige Aussetzungen vor Gericht um Schadensersatz hinzu kommen, wenn das Content-ID-System mal ein urheberrechtlich geschütztes Video durch lässt. Denn ja, auch das kommt häufiger mal vor.

Viele Kritiker treibt indes auch noch eine andere Sorge um: Wenn es bereits eine Technik wie die Upload-Filter gesetzlich gibt, wer sorgt dann dafür, dass Regierungen, die es mit Pressefreiheit in Europa nicht ganz so ernst nehmen, diese Mechanismen nicht nutzen, um kritische Berichterstattung zu verhindern?

Wie geht es jetzt weiter?

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die Intention der Europäischen Union zwar gut ist, die Umsetzung aber massiv Korrekturbedarf hat. So würden News-Feeds verschwinden und wahrscheinlich wie in Spanien durch äußerst zweifelhafte Meldungen und Verlage ersetzt werden. Auch die Intention hinter Upload-Filtern und der Verschiebung der Schuldfrage hin zu den Plattformbetreibern ist verständlich, aber praktisch sehr schwierig, würde es doch Kreative und Journalisten in ihrer Arbeit deutlich einschränken. Da man hier allerdings auch durchaus anderer Meinung sein kann, können sie gerne einen Kommentar zu dem Thema unterhalb dieses Artikels schreiben.

Doch wie geht es jetzt weiter mit der neuen Urheberrechts-Reform? Aktuell befinden sich Parlament, Rat und Kommission der Europäischen Union im so genannte Trilog. Hierbei werden noch einmal letzte Korrekturen an dem Gesetz vorgekommen. Das sich hier noch einmal viel ändern, gilt aber als sehr unwahrscheinlich. Anschließend muss das Europäische Parlament dem Gesetz noch einmal zustimmen, allerdings ist es auch hier wahrscheinlich, dass das Gesetz diese Hürde nehmen wird. Die letzte Hoffnung der Kritiker ist somit der europäische Gerichtshof, der das Gesetz in einem langen und schwierigen Prozess nochmal verhindern könnte.

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Autor: Cornelius Wolff, 25.11.2018 (Update: 25.11.2018)