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Trotz Chipkartenmangel: Hundertausende wiederverwendbare ÖPNV-Tickets landen auf dem Müll

Das E-Ticket Deutschland in verschiedenen Ausführungen. (Foto: Andreas Sebyang/Notebookcheck.com)
Das E-Ticket Deutschland in verschiedenen Ausführungen. (Foto: Andreas Sebyang/Notebookcheck.com)
E-Tickets für den deutschen ÖPNV sind derzeit Mangelware. Doch obwohl die Karten prinzipiell wiederverwendbar sind, landen sie zumindest in Berlin haufenweise im Müll, so ein Bericht der Berliner Zeitung – bei einem Stückpreis von einem Euro.

Hunderttausende noch funktionierende Chipkarten für das E-Ticket Deutschland landen derzeit in Berlin im Müll oder in irgendeiner Ecke der Wohnung. Wie Peter Neumann von der Berliner Zeitung berichtet, sind die Verkehrsbetriebe in Berlin, allen voran die BVG, für die Weiterverwendung der Karten nicht vorbereitet. Dabei herrscht zum einen ein bundesweiter Mangel an diesen begehrten Chipkarten und zum anderen sind die Karten konzeptionell für die Wiederverwertung zumindest bei der gleichen Person vorgesehen. 

Eigentlich sollten etwa Besitzer einer Umweltkarte, die auf das Deutschlandticket umstellen, einfach auf derselben Karte bleiben. Das ist Sinn und Zweck des Systems E-Ticket Deutschland (alias VDV Kernapplikation) und auch im Sinne der Umwelt. Das die Karten nicht weiterverwendet werden können, liegt allerdings an den Verkehrsbetrieben. 

Warum das der Fall ist, hat Jan Lehmann von der SPD über eine parlamentarische Anfrage erfahren müssen, die der Berliner Zeitung auch vorliegt. "Die technische Infrastruktur und Situation in den Kundenzentren ermöglichten momentan keine Umstellungen von Chipkarten, die sich schon im Besitz der Kundinnen und Kunden befinden", heißt es. Als Grund wird auch die schnelle Einführung des Deutschlandtickets hervorgehoben.

Das verwundert, ist doch das E-Ticket Deutschland auch schon einige Jahre alt. Außerdem war die Problematik schon beim 9-Euro-Ticket im Jahr 2022 erkennbar. Damals konnten erstmals fremde E-Ticket Deutschland in anderen Tarifbereichen genutzt und sogar kontrolliert werden. Die Planung für das Nachfolgeticket ging im September 2022 los.

Hoher finanzieller Schaden

Das Ganze ist nicht nur umwelttechnisch problematisch, sondern auch ein Kostenfaktor. Rund 1 Euro kostet so eine Karte. Dazu kommen wohl noch Nebenkosten wie etwa der Versand zum Fahrgast und weitere Verwaltungskosten. Hochgerechnet auf alle Deutschlandtickets in Berlin ist das eine stolze Summe, zumal laut Neumanns Recherchen 430.000 Chipkarten der BVG mit dem Deutschlandticket bespielt wurden. Nur 127.000 Stück werden über das Smartphone genutzt, dessen Akku bei ÖPNV-Fahrten nicht leerlaufen sollte. 

Wäre das Geld stattdessen in die Entwicklung geflossen, hätte vermutlich viel Geld gespart werden können. Das ist jedoch ausgeblieben. Immerhin soll dies bei BVG und S-Bahn nun noch passieren, sodass Karten weiterverwendet werden können.

Bei der S-Bahn Berlin ist die Anzahl der nutzlos gewordenen E-Tickets nicht ganz so hoch. Rund 150.000 Chipkarten sind es, so der Bericht. Für Deutschland geht man von einer siebenstelligen Anzahl von Chipkarten aus, die nutzlos geworden sind. Hierbei ist anzumerken, dass es Verkehrsbetriebe gibt, die eine Weiterverwendung bestehender Chipkarten ermöglichen.

Üblicherweise hält ein Chipkartenmedium des E-Ticket Deutschland fünf Jahre und kann zumindest in der Theorie auch woanders für Tickets genutzt werden.

Andere Länder, andere Haltbarkeiten

Das ist eine recht kurze Zeit. Andere internationale Kartensysteme halten deutlich länger oder können bisweilen verlängert werden, wie etwa abgelaufene Karten der Azienda Trasporti Milanesi (ATM Milano). Deren abgelaufene Chipkarten müssen oft nur an einen speziellen Leser gehalten werden, um ein weiteres Jahr genutzt werden zu können.

Das mittlerweile zwanzig Jahre alte Oyster-System in London hat als Beispiel gar kein Ablaufdatum. Das gilt auch für viele US-amerikanische und ost-asiatische Kartensysteme.

Es gibt aber auch Beispiele mit kurz haltbaren Karten in anderen Ländern. Die OV-Chipkaart etwa hält auch nur fünf Jahre, kann dafür aber in den gesamten Niederlanden eingesetzt werden. Die alten Ventra Cards aus Chicago waren auch nur einige Jahre nutzbar. Dort konnten die Karten dank Master-Card-Unterstützung  auch als Zahlungsmittel genutzt werden. Das wurde jedoch wieder abgeschafft. Dafür sind die neuen Karten erheblich länger haltbar.

Quelle(n)

Berliner Zeitung & Eigene Recherchen

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Autor: Andreas Sebayang, 24.07.2023 (Update: 25.07.2023)