In einer herkömmlichen Solarzelle liegen zwei unterschiedlich dotierte Halbleiterschichten direkt aufeinander (p-n-Übergang). An der Kontaktfläche bildet sich ein inneres elektrisches Feld. Trifft Licht auf die Zelle, entstehen Elektronen und ihre positiven Gegenstücke. Das Feld treibt beide sofort in entgegengesetzte Richtungen und setzt so einen Strom in Gang. Dieses Grundprinzip hat jedoch eine feste physikalische Obergrenze für Spannung und Wirkungsgrad – das sogenannte Shockley-Queisser-Limit. Praktisch heißt das, dass selbst unter idealer Sonneneinstrahlung höchstens etwa ein Drittel der Lichtenergie in elektrischen Strom umgewandelt werden kann.
Der Bulk-Photovoltaik-Effekt (BPVE) setzt genau hier an. Er benötigt weder einen p-n-Übergang noch das zugehörige elektrische Feld. Stattdessen macht er sich die besondere Atomanordnung mancher Kristalle zunutze, deren innere Struktur nicht spiegelsymmetrisch ist. Der Effekt tritt auf, wenn im Kristall gleichzeitig zwei Symmetrien fehlen: Zum einen muss die Raumspiegelsymmetrie gebrochen sein, sodass die unsymmetrische Atomordnung die Elektronen beim Lichteinfall bevorzugt in eine Richtung schiebt. Zum anderen muss ein magnetisches Material die Zeitumkehrsymmetrie stören, wodurch „Vorwärts“ und „Rückwärts“ in der Elektronenbewegung nicht mehr gleichwertig sind. Sind beide Bedingungen erfüllt, fließt der Strom direkt durch das Licht selbst, ohne die klassische „Trennwand“ und ohne die Beschränkung des Shockley-Queisser-Limits.
Kyoto-Forschern gelingt BPVE-Durchbruch – magnetisch steuerbare Solarzellen
Einem Forschungsteam an der Kyoto University, geleitet vom Physiker Kazunari Matsuda, ist es erstmals gelungen, eine Solarzelle ohne klassischen p-n-Übergang zu bauen, in der zwei entscheidende Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind:
- Eine einzige, hauchdünne Atomlage eines Halbleiters sorgt dafür, dass das Material keine Spiegelsymmetrie hat.
- Ein darunterliegender Magnetkristall bricht zusätzlich die Zeitumkehrsymmetrie.
Das hatte die Kyoto University am 24. Juni bekanntgegeben. Damit kann der Bulk-Photovoltaik-Effekt (BPVE) vollständig zünden: Licht schubst Elektronen direkt in eine Richtung, sodass sofort Strom fließt – ganz ohne eingebautes elektrisches Feld. Der Magnetkristall wirkt wie ein stufenloser Regler. Wird ein äußeres Magnetfeld angelegt, lässt sich der Strom an- und abschalten oder verstärken. Auf Basis des BPVE könnten künftige Solarzellen theoretisch mehr aus dem Sonnenlicht herausholen und zudem extrem dünn, flexibel und sogar per Magnetfeld steuerbar sein.
Die im Fachjournal Nature Communications veröffentlichte, acht Seiten lange Studie ist online frei zugänglich. Konkrete Fahrpläne zur Kommerzialisierung nennt die Universität nicht. Die Technik befindet sich im Grundlagenstadium. Dennoch gibt es Nutzungsszenarien, die bereits in Kürze denkbar wären – nicht nur in der Energiegewinnung, sondern auch im Bereich der Sensorik. So könnten hauchdünne BPVE-Folien etwa als selbstversorgende „Mini-Kraftwerke“ auf Etiketten, Wearables oder Umweltmessgeräten sitzen: Sie liefern nicht nur den Strom für Temperatur-, Feuchte- oder Bewegungssensoren, sondern erlauben dank ihrer magnetischen Steuerbarkeit auch gleich die Messung von Lichtstärke, Magnetfeld und sogar Lichtpolarisation – alles in einer einzigen, kaum sichtbaren Schicht.













