Ein einziger Baum reichte im Raum Kiel, Deutschland, am 25. August 2025 um den Nahverkehr auf sieben Regionalbahnlinien einzuschränken oder gar einzustellen. Am Morgen des Montags stürzte ein Baum auf eine Oberleitung. Die wurde zwischen Bordersholm und Meimersdorf beidseitig gerissen.
Allerdings hat Kiel nur diese eine einzige Strecke mit Oberleitung und als Folge fielen nicht nur die Züge aus, die diese Strecke befuhren. Auch die Züge, die von anderen Strecken aus Kiel anfuhren, konnten Kiel Hauptbahnhof nicht mehr erreichen. Dort werden Akkutriebzüge eingesetzt (BEMU, Battery Electric Multiple Unit), die nämlich unter der Oberleitung aufgeladen werden müssen.
Ohne Oberleitung konnten die Züge dann nicht oder nur eingeschränkt fahren. Der Fahrgastverband Pro Bahn hat auf Linkedin die entsprechenden Meldungen gesammelt. Demnach waren die Regionallinien RE72, RB73, RB76, RE83 und RB84 nur noch verkürzt unterwegs oder fielen gar ganz aus. Aus den Verspätungsdaten von bahn.expert geht hervor, dass die Akkulinien RE74 und RB75 weiter fuhren. Offenbar reicht die Kapazität, um von Rendsburg nach Kiel und wieder zurückzufahren.
Komplett ausgefallen ist etwa die Linie RB76, die nur den Kieler Raum bedient. Dasselbe gilt für die Linien RE72 und RB73 die nach Norden fahren. Im Norden kommt nämlich erschwerend dazu, dass sich die Schleibrücke Richtung Flensburg noch im Bau befindet. In Flensburg könnten die modernen Akkuzüge wieder aufladen. Die Brücke sollte ursprünglich 2023 fertig werden. Aktuell wird 2027 anvisiert. In der Region gibt es jedoch ernste Zweifel, dass der Termin gehalten werden kann. Für die Bahn ist die Brücke ein großes Problem. Der NDR nennt diesbezüglich Informationen der Bahn: "Bewegliche Brücken seien technische Maßanfertigungen, die Funktionalität, Sicherheit und Technik vereinen müssten". Für reguläre Brücken sollte dies aber auch gelten.
Die Regionallinien RE83 und RB84 fuhren verkürzt. Die Züge konnten immerhin in Lübeck aufgeladen werden und so einen Teilweg fahren, um wieder zur Lademöglichkeit zurückzukommen.
Da der Fahrplan komplett durcheinandergeriet, reichte die Störung noch bis in den Montagabend, auch wenn die Oberleitung gegen 18 Uhr wieder in Betrieb genommen werden konnte. Insgesamt dauerte die Störung 14:15 Stunden.
Pro Bahn fordert zweite Oberleitung und Vegetationskontrolle
Der Vorfall zeigt, dass die Verantwortlichen nicht an Redundanzen gedacht haben, als sie die Akkuzugtechnik einführten. Für den Fahrgastverband Pro Bahn eine Gelegenheit, dies jetzt einzufordern. Pro Bahn sieht die Verbindung zwischen Kiel und Rendsburg als ideale zweite Strecke an, wie es in der Mitteilung heißt. Diese sollte elektrifiziert werden und würde gleichzeitig eine wichtige Lücke schließen, so der Verband.
Kiel ist mit seinen rund 250.000 Einwohnern derzeit eine elektrische Sackgasse. Es ist beispielsweise nicht möglich, einen elektrischen Fernzug ohne Umwege und Richtungswechsel (in Neumünster) in Richtung Dänemark zu schicken. Kiel ist daher offiziell auch nur vereinzelt an den Fernverkehr angebunden und in der Netzspinne (PDF) nicht Teil einer Fernverkehrslinie.
Der Fahrgastverband betont derweil auch, wie wichtig eine Vegetationskontrolle ist. Die Deutsche Bahn hat seit 2021 demnach erweiterte Möglichkeiten und kann auch bei sogenannten Fremdbäumen eingreifen. Es bestehen aber Rechtsunsicherheiten, so Pro Bahn. Die Deutsche Bahn beruft sich dem NDR-Bericht zufolge derzeit darauf, dass es sich um einen Fremdbaum handelt. Die Bundespolizei hat Ermittlungen eingeleitet, um die Baumherkunft festzustellen, so der NDR.
Akkuzüge sind meist von einer Oberleitung abhängig. Dies sorgt teilweise für neue Probleme, wenn etwa die Triebfahrzeugführer vergessen, den Stromabnehmer nach dem Laden zu senken und dann Anlagen herunterreißen. Weitere Details zu diesem Problem finden sich in unserem Bericht: Wie eine Stromtankstelle für Akkuzüge aussieht. Die Niederbarnimer Eisenbahn hat nämlich solche Tankstellen in ihrem Plan aufgenommen und kann auch in nicht elektrifizierten Bereichen im Notfall ihre BEMUs aufladen. Bisher ist aber nur eine Tankstelle fertig.
Nachtrag vom 26. August 2025: Auch im Akkunetz von Schleswig-Holstein gibt es separate Ladeinseln. Von Kiel aus gesehen befinden sich diese jedoch hinter Oberleitungsnetzen und sind damit zu weit weg, um Kieler Züge zu versorgen.
Quelle(n)
via Pro Bahn














