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Vergesst 5G in 2020: Analyse am Beispiel Samsung Galaxy S20 Ultra mit sechs internationalen Modellen

5G ist da, etwa im Samsung Galaxy S20 Ultra. Jetzt bereits zuzugreifen könnte aber ein Fehler sein. (Bild: Samsung)
5G ist da, etwa im Samsung Galaxy S20 Ultra. Jetzt bereits zuzugreifen könnte aber ein Fehler sein. (Bild: Samsung)
5G ist in aller Munde obwohl der potentiell schnellere Mobilfunkstandard aktuell kaum Sinn macht. Uns geht es hier weniger um die noch ausbaufähige Abdeckung mit 5G-Netzen sondern um die Tatsache, dass aktuelle 5G-Smartphones wie etwa die teure Galaxy S20-Familie weder zukunftssicher noch in 5G-Netzen anderer Länder einsetzbar sind und Hersteller wie Samsung das durch möglichst intransparentes Marketing gekonnt verschleiern wollen.

Die schöne neue 5G-Welt zeigte bereits vor Monaten erste Risse, als frühe Tester in den USA erkannten, dass man den wirklich deutlich schnelleren Datenfunk mit den versprochenen Gigabit-Geschwindigkeiten nur an manchen Straßenecken großer US-Städte nutzen konnte und auch nur dann, wenn kein Blatt die direkte Sicht auf den Mobilfunkmast verdeckt. Diese 5G-Netze im sogenannten mmWave-Bereich über 24 Ghz sind zwar sauschnell, durchdringen allerdings kaum irgendein Hindernis. Das was die Mehrheit der Weltbevölkerung, auch hierzulande, stattdessen erhält, sind 5G-Netze im Sub-6-Ghz-Bereich, die aktuell je nach Land/Provider/Indoor- oder Outdoor-Position etwa 100 bis 400 Mbit/s im Download liefern, also teils nicht so viel mehr als bei 4G, allerdings immerhin mit geringeren Latenzen als bei LTE.

Weltweit gibt es aktuell mehr langsamere 5G-Netze im Sub-6-Frequenzbereich. (Bild: Qualcomm)
Weltweit gibt es aktuell mehr langsamere 5G-Netze im Sub-6-Frequenzbereich. (Bild: Qualcomm)

5G: Sub-6 oder mmWave

Diese haben allerdings den großen Vorteil, sich weit auszubreiten und somit ganze Landstriche abzudecken, wodurch T-Mobile in den USA etwa mit fast flächendeckender 5G-Versorgung werben kann. Auch in Europa sind, mit Ausnahme Italiens, aktuell nur diese Sub-6-Netze aktiv, ein erstes mmWave-Netz hat allerdings der italienische Mobilfunkprovider TIM seit Januar des Jahres in Betrieb und zwar im n258-Band bei 26 Ghz. Wenn wir schon bei diesen schnellen mmWave-Netzen sind: Neben den USA, wo AT&T, T-Mobile und Verizon einige Regionen mit mmWave-Netzen versorgen, ziehen hier auch Japan, Korea und China nach, zumindest laut verfügbarer Angaben von Qualcomm, auf Wikipedia sowie dem japanischen Provider NTT Docomo (PDF).

Fragen die man sich stellen könnte    

Womit wir langsam zur Problematik vordringen, denn aktuelle 5G-Smartphones wie die Galaxy S20-Serie von Samsung und hier explizit das Galaxy S20 Ultra, welches wir hier stellvertretend für alle anderen beleuchten wollen, sind trotz der Vermarktung als 5G-fähige Smartphones nicht pauschal in allen Netzen benutzbar. Wer an 5G interessiert ist und hierfür Flaggschiff-Preise bezahlt sollte sich eventuell also auch folgende Fragen stellen:

  1. Welche 5G-Netze kann ich damit in welchen Ländern nutzen?
  2. Wie zukunftssicher sind die heute gekauften 5G-Handys?

Die Verteilung der Funkfrequenzen weltweit. Auch bei 5G herrscht Wildwuchs, die aktuell von keinem 5G-Smartphone abgedeckt werden. (Bild: Qualcomm)
Die Verteilung der Funkfrequenzen weltweit. Auch bei 5G herrscht Wildwuchs, die aktuell von keinem 5G-Smartphone abgedeckt werden. (Bild: Qualcomm)

Welche 5G-Netze kann ich in welchen Ländern nutzen?

Wie man an der Weltkarte von Qualcomm oben gut sehen kann, herrscht auch in punkto 5G, wie schon bei LTE, ein Wildwuchs unterschiedlichster Frequenzbereiche. Wenn ein Smartphone also nicht, so wie mittlerweile bei LTE-Modems in High-End-Smartphones üblich, alle diese Frequenzen unterstützt, die bei 5G zwecks besserer Unterscheidbarkeit mit dem kleinen Buchstaben "n" versehen sind, kann man sein teures 5G-Smartphone aus Europa nicht ohne weiteres in den 5G-Netzen der USA oder etwa Chinas nutzen. Auch ein 5G-Smartphone aus den USA wird sich, sofern es nicht alle weltweit unterschiedlichen 5G-Bänder unterstützt, nicht in die schnellen Mobilfunknetze aus Europa einwählen können.

Ein 5G-World-Modem ist in 2020 noch nicht verfügbar, weder das Qualcomm X55-System noch das Exynos 5123 von Samsung deckt alle weltweit eingesetzten Frequenzbereiche ab, weswegen Samsung auch fünf unterschiedliche Galaxy S20 Ultra-Modelle je nach Region ausliefert, die alle nur die jeweils im Moment angebotenen 5G-Netze des Kontinents unterstützen und nicht einmal das durchgehend. Wie die Tabelle unten zeigt, die wir aus unterschiedlichsten Quellen zusammentragen mussten, weil Samsung hier leider völlig intransparent agiert und auf seinen Webseiten nur in Südkorea konkrete Angaben liefert, unterstützt das kanadische Modell die mmWave-Netze der USA nicht, die in den Bändern n260 und n261 funken.

Interessantes Detail am Rande: Wenn man sich ein Galaxy S20 Ultra in den USA kauft, kann man damit nicht nur kein einziges 5G-Netz in Europa oder Asien nutzen, auch LTE-Band 20 fehlt in der von der US-Amerikanischen FCC stammenden Liste unten, sprich hier könnte man sogar noch in so manchem LTE-Netz längst überwunden geglaubte Probleme bekommen.

Internationale Samsung Galaxy S20 Ultra-Varianten*

Region Modell Chipsatz mmWave 5G-Bänder LTE-Bänder
USA SM-G988U Snapdragon 865 ja n2/n5/n41/n66/n71 /n260/n261 2/4/5/7/12/13/14/25 /26/29/30/38/41/46/48/66/71
Kanada SM-G988W Snapdragon 865 nein n41/n66/n71 2/4/5/7/12/13/25 /29/30/38/41/46/66/71
Europa, Australien, etc. SM-G988B Exynos 990 nein n1/n3/n5/n7/n8/n28 /n40/n41/n77/n78 1/2/3/4/5/7/8/12/13/17/18/19/20/25 /26/28/32/34/38/39/40/41/66
Indien, etc. SM-G988B Nur LTE! Exynos 990 nein - 1/2/3/4/5/7/8/12/13/17/18/19/20/25 /26/28/32/34/38/39/40/41/66
Korea SM-G988N Snapdragon 865 nein n78 1/2/3/4/5/7/8/12/13/18/19/20/25 /26/28/38/39/40/41/66
China, Japan SM-G9880 Snapdragon 865 nein n1/n178/n79 1/2/3/4/5/7/8/12/13/14/18/20/25 /26/28/29/30/38/39/40/41/46/48/66

* Informationen zu den unterstützten 5G- und LTE-Bändern teils von Providern, FCC, Online-Shops etc. übernommen (siehe Quellen, keine Gewähr da teils inoffizielle Informationen) 

Wie zukunftssicher sind die heute gekauften 5G-Handys?

Zählt man Eins und Eins zusammen, ergibt sich für die Zukunftssicherheit aktuell verkaufter 5G-Smartphones zwangsläufig ein düsteres Bild. Beispiel Europa: Wir wissen bereits durch ein Samsung-Statement beziehungsweise den Teardown durch JerryRigEverything, dass sich in europäischen und südkoreanischen Galaxy S20 Ultra-Modellen keine mmWave-Antennen befinden und auch die unterstützten Frequenzbereiche oben lassen darauf schließen, dass neu in den nächsten Jahren in Betrieb gehende mmWave-Netze in Europa und Asien von der Galaxy S20-Generation des Jahres 2020 nicht genutzt werden können (ebenso wie von anderen 5G-Phones des Jahres 2020). 

Man sollte sich also im Fall des mehr als 1.300 Euro teuren Galaxy S20 Ultra fragen, ob das Geld hierfür tatsächlich gut angelegt ist, oder ob es nicht besser wäre, in diesem Jahr noch auf 5G zu verzichten, zumindest in diesem Preisbereich - bei den angekündigten 5G-Midrangern auf Basis des Snapdragon 765 mag die Bewertung anders ausfallen. Ganz seltsam empfinden wir übrigens die Tatsache, dass selbst das südkoreanische Galaxy S20 Ultra die dort zumindest bereits im Testbetrieb verfügbaren Netze im mmWave-n257-Band nicht unterstützt, sondern nur das Sub-6-Band n78.

Diese Information stammt sogar direkt von der südkoreanischen Samsung-Webseite selbst, die als einzige übrigens, alle detaillierten Specs zum Galaxy S20 Ultra veröffentlicht hat. Das europäische Galaxy S20 Ultra wird auch die in Zukunft vorgesehen mmWave-Netze in den Bändern N257 und n258 nicht nutzen können, sprich schon in 2021 oder 2022 könnte das Galaxy S20 Ultra zum alten Eisen gehören. 

Samsung wirbt eifrig für 5G, die Detailinformationen zu den unterstützten Frequenzen fehlen aber komplett. (Bild: Samsung)
Samsung wirbt eifrig für 5G, die Detailinformationen zu den unterstützten Frequenzen fehlen aber komplett. (Bild: Samsung)

Die Industrie ist einfach noch nicht so weit

Hier müssen wir Samsung aber ausnahmsweise mal in Schutz nehmen. Wie schon in den Anfangstagen der ersten 4G-Netze sind Modems beziehungsweise Antennenmodule, die alle weltweit verfügbaren Bänder gemeinsam unterstützen, noch nicht verfügbar. Auch andere Smartphone-Hersteller die 2020 also 5G-Handys anbieten, darunter mit ziemlicher Sicherheit auch Apples erste 5G-iPhones im Herbst, werden mangels entsprechender World-Modems wohl in vielen verschiedenen Modellvarianten je nach Region auf den Markt kommen und somit nur die dort gerade aktiven 5G-Netze unterstützen - mmWave vermutlich auch nur in den teureren Pro-Modellen und wohl ebenfalls nur in den USA. Abhilfe dürften in 2021 die neuen 5G-Chipsätze bringen, die - zumindest im Fall des bereits angekündigten Qualcomm X60 - eine breitere Frequenzunterstützung andeuten. Ob diese 3. Generation an 5G-Modems bereits das Optimum für Weltreisende wird, bleibt allerdings noch abzuwarten. 

Qualcomm hat mit dem X60-Chipsatz bereits Besserung in Aussicht gestellt. (Bild Qualcomm)
Qualcomm hat mit dem X60-Chipsatz bereits Besserung in Aussicht gestellt. (Bild Qualcomm)
Global mmWave-Band-Support klingt beispielsweise schon mal nützlich (Bild: Qualcomm)
Global mmWave-Band-Support klingt beispielsweise schon mal nützlich (Bild: Qualcomm)

Samsungs intransparentes Marketing

Womit wir zum Abschluss noch Samsung für seine aktuelle Marketing-Strategie kritisieren wollen. All die oben genannten Einschränkungen wären ja gar kein größeres Problem für Konsumenten, wenn die Hersteller transparent über die aktuellen Möglichkeiten von 5G sowie die Einschränkungen der einzelnen Smartphones aufklären würden. Samsung geht hier leider einen komplett anderen Weg und blendet seine Konsumenten mit der schönen neuen 5G-Welt ohne auch nur mit einem Wort auf die oben angesprochenen Probleme einzugehen. Nicht nur, dass, wie schon erwähnt, praktisch keine detaillierten Spezifikationen zu den einzelnen internationalen Galaxy S20-Modellen zur Verfügung gestellt werden, waren die ersten veröffentlichten Pressemitteilungen sogar noch dezidiert falsch, wie ein Vergleich zwischen globaler- und deutscher Veröffentlichung zeigt. Mittlerweile wurde die deutsche Pressemitteilung übrigens entfernt.

Falsche Angaben in der deutschen Galaxy S20-Pressemitteilung vom 11.02.2020, mittlerweile von Samsung gelöscht.
Falsche Angaben in der deutschen Galaxy S20-Pressemitteilung vom 11.02.2020, mittlerweile von Samsung gelöscht.

Fehlende Datenblätter bei Samsung

Die Angaben zu den unterstützten 5G-Bändern mussten wir teils aus Datenblättern der Deutschen Telekom, aus Online-Shops oder aus einem Bericht des PCMag nehmen, die ihrerseits in den Zertifizierungsunterlagen der FCC sowie in Firmware-Dumps umständlich nach den Angaben suchen mussten. Ein derart intransparentes Verhalten sollte angeprangert werden, was wir hiermit einmal mehr tun. Wir haben Samsung diesbezüglich übrigens kontaktiert, abseits einer ersten Stellungnahme im Zusammenhang mit dem Teardown von JerryRigEverything aber keine weitere Antwort mehr erhalten.

Wir hoffen, dass andere Hersteller hier künftig transparent die jeweils unterstützten 5G-Bänder in öffentlich zugänglichen Datenblättern auflisten, damit Interessenten leicht nachvollziehen können, ob etwa das in Europa verkaufte 5G-Flaggschiff nun auch die Sub-6 oder mmWave-Netze in den USA nutzen kann oder nicht. Auch das Fehlen der mmWave-Antennen in europäischen und südkoreanischen Galaxy S20 Ultra-Modellen empfinden wir als schändlich, wenn Samsung Südkorea parallel dazu ein Youtube-Video veröffentlicht, dass die mmWave-Antennen explizit hervorhebt ohne darauf hinzuweisen, dass das nur die US-Modelle betrifft.

Galaxy S20 Ultra ohne 5G-Modem?

Übrigens: In Indien und anderen Ländern ohne 5G-Infrastruktur verkauft Samsung auch ein Galaxy S20 Ultra ohne 5G-Modem als Galaxy S20 Ultra LTE, wie das Bild unten zeigt. Das ansonsten dem internationalen Modell SM-988B gleichende Modell mit Exynos 990-SoC ist allerdings in der EU praktisch nicht zu haben, zudem setzt Samsung ja immer noch auf seine lang gepflegte Konsumenten-unfreundliche Tradition, die erste Inbetriebnahme nur mit einer SIM aus der Region zu erlauben, wodurch ein Import aus anderen Ländern also erschwert wird. Dieser Workaround, sofern er ökonomisch sinnvoll wäre, was wir hier nicht beurteilen wollen, bleibt also verschlossen - Galaxy S20 Ultra-Interessenten hierzulande sind also dazu verdammt, ein 5G-Modem zu bezahlen, auch wenn es aus oben genannten Gründen in 2020 nur eingeschränkt nützlich ist, zumindest wenn man sich gerne auch außerhalb der jeweiligen Stammregion in 5G-Netze einwählen will. 

Ein Galaxy S20 Ultra ohne 5G gibt es von Samsung ausschließlich in Regionen ohne 5G-Netze. (Bild: Technoproz)
Ein Galaxy S20 Ultra ohne 5G gibt es von Samsung ausschließlich in Regionen ohne 5G-Netze. (Bild: Technoproz)
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Autor: Alexander Fagot, 22.03.2020 (Update: 22.03.2020)